Bundestagswahl im Rhein-Sieg-Kreis Banges Warten und verhaltene Freude bei Parteien im Rhein-Sieg-Kreis

Rhein-Sieg-Kreis · Die Direktkandidaten der CDU ziehen in den Bundestag ein. Grüne und SPD feiern Stimmengewinne. Die Linke ist enttäuscht.

 Katja Stoppenbrink und Sebastian Hartmann feierten am Wahlabend in Troisdorf das gute Ergebnis ihrer Partei. 

Katja Stoppenbrink und Sebastian Hartmann feierten am Wahlabend in Troisdorf das gute Ergebnis ihrer Partei. 

Foto: Thomas Heinemann

Selten war ein Wahlabend so zäh und spannend zugleich: Der hohe Anteil an Briefwählern in Deutschland und auch in den Wahlkreisen 97 und 98 im Rhein-Sieg-Kreis haben für eine zeitraubende Auszählung bis in die Nacht gesorgt, die sowohl bei den mutmaßlichen Gewinnern und Verlierern des Abends mit Ausnahme der Partei Die Linke für vorsichtige Zurückhaltung bei Freude und Kummer sorgten.

Weil der Rhein-Sieg-Kreis diesmal auf eine große Wahlparty verzichtete, feierte CDU-Direktkandidat im Wahlkreis 98, Norbert Röttgen, in der Berliner Parteizentrale den Sieg in seinem Wahlkreis: „Ich freue mich riesig darüber, erneut mit einem starken Ergebnis in meinem Wahlkreis gewählt worden zu sein und bin sehr dankbar für das Vertrauen der Wähler und die tolle Unterstützung der Partei.“

Dass er Stimmen zugunsten der Grünen-Kandidatin Elisabeth Anschütz abgegeben hatte, konnte Röttgens Stimmung nicht trüben: „Das ist eine weitere Bestätigung, dass wir den Wettbewerb mit den Grünen weiter ausbauen müssen.“ Für die Regierungsfrage in Berlin gehe es nun darum, den Nachweis zu führen, dass CDU, Grüne und FDP ein modernes Bündnis bilden könnten, so Röttgen und gestand ein: „Gleichzeitig ist das eigene Ergebnis für uns als Partei überhaupt nicht zufriedenstellend. Die CDU muss an ihrer Position als Volkspartei weiter hart arbeiten.“ Parteikollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker für den Wahlkreis 97 feierte in einem Siegburger Restaurant. „Dass die Wähler mir das Direktmandat erneut anvertraut haben, freut mich. Das gibt mir Rückenwind in Berlin“, sagte sie. Für die Bundesregierung hofft sie auf eine Jamaika-Koalition. „Sie gibt die Breite der Gesellschaft am besten wieder.“

Deutschland sei reif für einen Regierungswechsel

Im Wahlkreisbüro der SPD in Troisdorf wurde am Abend ausgiebig gefeiert. „Der Abend wird lang“, prognostizierte Sebastian Hartmann nicht nur mit Blick auf die Wahlparty: „Wir sehen bei Prognosen und Hochrechnungen bereits jetzt: Die SPD gewinnt an Stimmen dazu und wir müssen uns mental noch einmal deutlich machen, dass wir anderthalb Jahre bei 14 bis 15 Prozentpunkten lagen und jetzt bei 25 Prozentpunkten angekommen sind.“ Olaf Scholz habe die Partei nach oben gezogen, zeigte sich Hartmann überzeugt und optimistisch, dass seine Partei „eine Regierungskoalition jenseits der Union“ mit Grünen und der FDP wird finden können, auch wenn die Endergebnisse der Auszählungen noch nicht vorlagen: „Es gibt klare Wahlgewinner und die haben eine Verantwortung. Es ist noch früh, aber die Tendenz ist gut erkennbar.“

Vorbehaltlich des Endergebnisses wollte er sein eigenes Wahlergebnis noch nicht kommentieren: „Wir haben bei den letzten Wahlen gesehen, dass man warten muss, bis wirklich der letzte Wahlbezirk ausgezählt ist. Es wäre reine Spekulation.“ Zurückhaltung in der Interpretation übte auch Katja Stoppenbrink, die im Wahlkreis 98 gegen CDU-Mann Norbert Röttgen angetreten war: „Wir feiern jetzt das gute Ergebnis der SPD. Wir haben alles gegeben und wir sind angetreten gegen einen schweren Gegner. Uns war bewusst, dass das eine große Herausforderung war.“ Deutschland sei nun reif für einen Regierungswechsel, so die Herausforderin.

Grabesstimmung bei den Linken

Dass die Grünen dabei ein starkes Mitspracherecht haben werden, erfreute die beiden Grünen-Direktkandidaten Elisabeth Anschütz, die in Windeck mit rund 25 Unterstützern feierte, und Richard Ralfs. Beide freuten sich über ein Stimmen-Plus. „Wir haben Hoffnung, dass mit der Auszählung der Briefwahlstimmen das Ergebnis noch höher wird“, freute sich Anschütz über einen „langen und sehr spannenden Abend: Briefwähler sind in der Vergangenheit oft sehr grün-affin gewesen. Und mit doppelt so vielen Stimmen und Abgeordneten kann man in Berlin mehr erreichen.“

 Alexander Soranto Neu übte am Wahlabend Kritik am indifferenten Profil seiner Partei.

Alexander Soranto Neu übte am Wahlabend Kritik am indifferenten Profil seiner Partei.

Foto: Thomas Heinemann

Grüne Themen und die Menschheitsaufgabe Klimawandel seien bei den Wählern angekommen, resümierte auch Richard Ralfs, aber auch die Sorge, ein zu schneller Umbruch könne das gewohnte Leben zu sehr verändern: „Klar ist: Bei einer Regierungsbildung kommt man an Grün nicht vorbei.“

Einschnitte und Veränderungen anderer Art waren am Wahlabend im Büro der Linken in Siegburg zu spüren: Im vollen Raum herrschte Grabesstimmung. „Wir zittern an der Fünf-Prozent-Hürde“, so Bundestageskandidat Andreas Danne kurz und knapp: „Das Ergebnis auf Bundesebene ist für uns katastrophal und sehr enttäuschend für uns alle. Noch enttäuschender ist das Ergebnis in NRW. Insgesamt eine Riesenenttäuschung, auch für mich persönlich. Wir müssen als Partei disziplinierter werden, knallhart arbeiten und Egoismen hintenanstellen“

Auch Alexander Soranto Neu, der im Wahlkreis 97 angetreten war, übte sich in einer Analyse und forderte von seiner Partei eine klarere Ausrichtung weg von Themen, die mehr bei der SPD oder den Grünen zu verorten gewesen wären: „Das Wahlprogramm ist sehr gut, aber die Performance nicht. Und wenn eine Partei keinen Selbstrespekt hat, wie soll sie Respekt vom Wähler erwarten? Das ist nun das Ergebnis.“

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