Podcast aus der JVA Siegburg Lieblingsbücher aus der Knastbibliothek

Siegburg · Inhaftierte der Justizvollzugsanstalt Siegburg stellen in einem Podcast ihre Lieblingsbücher vor. Das Kooperationsprojekt „Bücherecke aus dem Knast“ gibt ihnen in der Stadtbücherei eine Bühne.

 Stellen das Projekt „Bücherecke aus dem Knast" vor: Jörg Gieseking (v.l.), Bürgermeister Stefan Rosemann, Lioba Herhaus, Thomas Druwe und Daniela Siewert, Vollzugsjuristin der JVA.

Stellen das Projekt „Bücherecke aus dem Knast" vor: Jörg Gieseking (v.l.), Bürgermeister Stefan Rosemann, Lioba Herhaus, Thomas Druwe und Daniela Siewert, Vollzugsjuristin der JVA.

Foto: Stadt Siegburg

Mehrere Hundert Bücher habe er gelesen, verrät Dieter gleich zu Anfang einer Audio-Sendung im Internet. Die meisten auch bis zum Ende, ergänzt der 56-Jährige. „Ich gebe allen eine 100-Seiten-Chance“, verrät der Mann, der derzeit in der Siegburger Justizvollzugsanstalt (JVA) eine Haftstrafe absitzt. Nur ganz selten habe er ein Buch nach der magischen Schwelle zur Seite gelegt. So hat es „Das unglaubliche Leben des Wallace Price“ von T.J. Klune, das ihm in der Knastbibliothek eher zufällig in die Hände fiel, zu einem seiner Lieblingsbücher geschafft. Das stellt Dieter in einem neuen Podcast vor. In der „Bücherecke aus dem Knast“ präsentieren Inhaftierte ihre liebsten Bücher aus der Bibliothek der Anstalt.

Ihre eingesprochenen Buchempfehlungen sind anlässlich der Knastkulturwoche derzeit auch in einer eigens dafür reservierten Ecke in der Siegburger Stadtbücherei zu hören. Denn die „Bücherecke aus dem Knast“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen der JVA und der Stadtbibliothek. Wer mag, kann die Podcasts aber auch zu Hause hören.

Wiedereingliederung Inhaftierter

Buchexpertin Lioba Herhaus und Bibliotheksleiter Thomas Druwe haben einen Leitfaden erstellt, der den Inhaftierten helfen soll, eine Buchempfehlung auszusprechen. Das fängt bei der Auswahl des Buches an, geht über Ratschläge zu inhaltlichen Dingen bis hin zur Art des Vortrags. Über den Podcast und dessen Bewerbung in der Bücherei erhalten die Inhaftierten zudem eine Bühne, auf der sie ihr Interesse an Literatur einer breiten Öffentlichkeit präsentieren können.

„Trotz der Fehltritte und Straftaten handelt es sich bei Inhaftierten um Menschen mit Interessen und Begabungen, die eine zweite Chance verdienen“, sagt der JVA-Beschäftigte Jörg Gieseking, der das Projekt initiiert hat. Es soll dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, und die Wiedereingliederung Inhaftierter in die Gesellschaft zu unterstützen. „Mit der JVA und der Stadtbibliothek haben sich zwei Institutionen zusammengefunden, die historisch von großer Bedeutung für Siegburg sind“, sagt Siegburgs Bürgermeister Stefan Rosemann bei der Präsentation des Projekts. Als wichtiger Schritt auf dem Weg zur Resozialisierung bereite die Aktion Menschen auf die Zeit nach der Inhaftierung vor.

Ein Stück JVA steht derzeit auch in der Stadtbibliothek: ein originales Fenstergitter, um das herum die Werke, die insgesamt neun Häftlinge empfehlen, drapiert sind. Nebenan stehen sogenannte Sonicchairs, in denen bis Dienstag, 29. November, die Podcasts zu hören sind. Die besprochenen Bücher können auch gleich ausgeliehen werden.

Die „Bücherecke aus dem Knast“ ist erst der erste Aufschlag der neuen Kooperation zwischen JVA und Bibliothek. So erklären beide Partner, dass die Initiative nicht nur auf Siegburg beschränkt bleiben soll. Sie rufen andere Bibliotheken auf, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Denn, so Anke Hassel, Veranstaltungsleiterin der Bibliothek, „die Freiheit beginnt im Kopf“.

Der Podcast „Bücherecke aus dem Knast“ kann bis Dienstag, 29. November, in der Stadtbücherei Siegburg angehört werden sowie auch auf www.knastkultur.de/projekte/literatur/buecherecke_im_knast/

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