Auf Stadtsafari in Bad Godesberg Der Neue schaut in Mehlem und Lannesdorf vorbei

Mehlem/Lannesdorf · Ein Godesberg-Neuling betrachtet die Ortsteile mit den Augen des Erstbesuchers – und mit unverstelltem Blick auf die Dinge. GA-Redakteur Alexander Barth hat für diesen Teil der Serie seine Eindrücke aus Mehlem und Lannesdorf aufgeschrieben.

Rund um die Kirche St. Severin ist Mehlems kleine Geschäftswelt angesiedelt.

Rund um die Kirche St. Severin ist Mehlems kleine Geschäftswelt angesiedelt.

Foto: Alexander Barth

Alte Pracht und schmucklose Zweckbauten, Rheinidyll und die alles teilende Bundesstraße. Mehlem offenbart sich dem Erstbesucher als vielgesichtiger Ortsteil. Und dann ist da noch ein Bach, der beizeiten furchtsame Blicke auf sich zieht. Von der Ebene am Rheinufer bis in die sanfte Steigung Richtung Rodderberg wechselt das Bild des Baches etliche Male. Bunte Akzente und „alle Farben Grau“ sind zu finden. Im eigentlichen Kern ziehen Geschäfte und ein paar Cafés als Treffpunkte an. Am Fluss wird residiert, im Süden praktisch gewohnt. Der Safari-Besuch bei trübem Herbstwetter bietet erhellende Eindrücke. Später zieht es den Stadtreisenden dann über eine einmal mehr quasi unsichtbare Ortsteilgrenze nach Lannesdorf.

Von der Pfarrkirche Sankt Severin als Fix- und Ausgangspunkt schwärmt der Stadtreisende aus. Ehe es soweit ist, steht die Erkundung eines Bereichs an, der am ehesten als belebtes Zentrum durchgehen soll. Wo Mainzer Straße, Meckenheimer Straße und Siegfriedstraße zusammentreffen, ballt sich ein kleiner feiner Mix an geschäftlicher Infrastruktur, die neben diversen Bäckereien – eine Art Brötchenviertel, so scheint es – und diversen relevanten Versorgungsstationen wie Frisör, Schneiderei und Banken auch einige Darüber-hinaus-Angebote beinhaltet. So bieten etwa ein Salon für Thai-Massage und eine Whiskey-Handlung Entspannungshilfen auf ihre jeweils eigene Art. Und wer in Mehlem eine Waschmaschine braucht, muss entgegen etlicher Trends nicht in ein anonymes Großgeschäft ausreisen, sondern wird auf der Meckenheimer Straße fündig.

„Die Leute haben hier mehr Zeit“

„Was darf ich denn nicht verpassen?“ – so oder so ähnlich wurde auf den bisherigen Erkundungsspaziergängen in Bad Godesberger Lebenswelten schon mancher Protagonist im jeweiligen Alltag angesprochen. „Unbedingt zum Rhein“ – diesen wohlgemeinten wie knappen Hinweis hat die Fachkraft in einer Bäckerei in der Meckenheimer Straße übrig. Die freundliche Frau möchte zwar nicht namentlich im GA auftauchen, dafür aber gern eine Beobachtung teilen: „Die Leute haben hier oft einfach etwas mehr Zeit. Klar, viele Ältere in Mehlem, das ist das Klischee. Aber auch Handwerker oder selbst Schülerinnen und Schüler sind geduldiger als anderswo, finde ich.“

 Irgendwie immer präsent: Der Mehlemer Bach ist einen prüfenden Blick wert.

Irgendwie immer präsent: Der Mehlemer Bach ist einen prüfenden Blick wert.

Foto: Alexander Barth

Mit dem Vorhaben einer Blickreise auf Architektonisches wird der neugierige Neuling hier und später noch an etlichen Stellen gewahr: „Das“ Mehlem scheint es nicht zu geben. Zu heterogen die Bebauung in sämtlichen Richtungen, zu variabel die Zustände und Wohngrößen. Mondän am Rhein hier, bisweilen räumlich kompakt vor allem jenseits der B9, die den Ortsteil gemeinsam mit der Bahntrasse geradezu durchschneidet.

Leben direkt an der Bundesstraße

Dieser Umstand sorgt dafür, dass neben etlichen ruhigen und verkehrsarmen Wohnstraßen auch Leben direkt an der Bundesstraße gelebt werden. So etwa in der schmalen Roderichstraße, wo zwischen Haustür und Vierspurverbindung kaum fünf Meter liegen mögen. Entlang der Mainzer Straße, vor dem Bau der Umgehung mutmaßlich die Hauptader Mehlems, fällt neben mancher architektonischen Sünde jüngeren Datums zweifellos die Villa Camphausen, heute der Seniorensitz Villa Kursana, maximal auf. Wie zum Beweis ihrer historischen Rolle duckt sich im Vorgarten ein preußischer Meilenstein als Geschichtsspur. Nicht zu übersehen ist derweil akuter und offensichtlich teils schon lange anhaltender Leerstand von Geschäftsflächen. Vereinzelt zeigt sich auch verlassener Wohnraum, für den Journalisten ergibt sich an dieser Stelle quasi ein Arbeitsauftrag.

Der Neue schaut in Mehlem und Lannesdorf vorbei
Foto: Alexander Barth

Mehr als einmal begegnet der Ortsteilwanderer einem Fließgewässer, das an diesem regnerischen Oktobertag zwar einigermaßen beschaulich in seiner Rinne arbeitet, mit etwas Fantasie jedoch auch von seiner Kraft ahnen lässt. Die Auswüchse des Mehlemer Bachs haben den Bad Godesberger Süden mehr als einmal in Alarm und Schrecken versetzt, so viel ist schon auf einfache Nachfrage beim Passanten zu erfahren, der lässig am Geländer seitlich des Laufs unterhalb des Dorfplatzes lehnt. Daneben ermöglichst die Existenz des Bachs an dieser Stelle und durch die entsprechenden Baulücken einen feinen Durchblick über den Kirchturm hinweg Richtung Drachenfels.

Spuren von Industrie und Raum für Urtümliches

Den Sprung über die unsichtbare Grenze nach Lannesdorf wagt der Godesberg-Neuling im Mehlemer Nordosten, wo Mehrfamilienhäuser das Bild prägen. Die Vergangenheit als Arbeiterviertel mit Industrie- und heutigen Gewerbeflächen ist kaum zu übersehen, die Bebauung zwischen Floßweg und Honnefer Straße erinnert auch daran, dass Zuzug und (Arbeits-)Migration den Süden prägten und bis heute prägen. Raum für Urtümliches ist dennoch, vor allem im Quartier rund um den Dorfplatz. Wo die sanfte Steigung einsetzt, ist dann auch der Heiderhof nicht mehr weit. Dennoch offenbart sich hier deutlich mehr Raum zwischen den nominellen Ortsteilen.

Dass Lannesdorf mit etwa der Hälfte seiner „amtlichen“ Fläche im Grünen liegt und auf langer Strecke auch an Wachtberger Gebiet kratzt, wird beim Spaziergang auf der vielbefahrenen Ellesdorfer Straße eher nicht in den Sinn kommen. Den wundersamen Umstand, dass der Sportpark Pennenfeld oder ein ebenso benanntes Gewerbegebiet eigentlich auf Lannesdorfer Grund liegt, gilt es in der Folge noch zu ergründen.

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