Letzte-Hilfe-Kurs beim Beueler Hospizverein Ein paar Tropfen des Lieblingsgetränkes auf den Lippen

Beuel-Niederholtorf · „Am Ende wissen, wie es geht“ ist der Untertitel für den Letzte-Hilfe-Kurs des Beueler Hospizvereins. Teilnehmer lernen hier, was sie am Ende des Lebens für die Menschen, die ihnen nahe stehen, tun können. Der General-Anzeiger hat ein Seminar begleitet.

Andrea von Schmude ist Koordinatorin beim Beueler Hospizverein und leitet Seminare zum Thema Letzte Hilfe, wie hier im Pfarrheim der Kirchengemeinde St.Antonius in Niederholtorf.

Andrea von Schmude ist Koordinatorin beim Beueler Hospizverein und leitet Seminare zum Thema Letzte Hilfe, wie hier im Pfarrheim der Kirchengemeinde St.Antonius in Niederholtorf.

Foto: Benjamin Westhoff

Von Weitem sieht das, was Referentin Andrea von Schmude vom Beueler Hospizverein in die Runde reicht, aus wie rosa Lutscher. Alle Teilnehmer des Letzte-Hilfe-Kurses nehmen sich ein Stäbchen mit der bunten Form an einem Ende. In der Mitte des Raumes hat von Schmude einen Korb mit mehreren Flaschen gestellt: Trauben- und Apfelsaft, Sekt und Eierlikör.

Beim Letzte-Hilfe-Kurs geht es um den Tod. Wie können sich Angehörige auf den Tod eines geliebten Menschen vorbereiten? Warum sollten wir viel öfter über den Tod und das Sterben sprechen? Und was haben die Stäbchen damit zu tun?

Mundpflegestäbchen für die Letzte Hilfe

Die sogenannten Mundpflegestäbchen können für Angehörige und Sterbende wertvolle Begleiter in den letzten Tagen und Stunden sein, zeigt von Schmude. Mit dem rosa Schwämmchen, das auf dem Stäbchen steckt, können die betreuenden Personen den Sterbenden Lippen und Mund befeuchten. Beim Letzte-Hilfe-Kurs probieren die Teilnehmenden aus, wie es sich anfühlt, ganz bewusst ein paar Tropfen des Lieblingsgetränkes auf den Lippen zu spüren.

In der Praxis könne die sogenannte Mundpflege für Angehörige und Sterbende ein wertvolles gemeinsames Erlebnis sein, erklärt von Schmude, die Krankenschwester ist und seit 2016 hauptamtlich für den Beueler Hospizverein arbeitet. „Die Mundpflege ist in der Palliativmedizin essenziell“, sagt sie. Diese rege nicht nur die Speichelproduktion an und sorge für ein angenehmeres Gefühl im Mund, sondern könne auch Erinnerungen und Gefühle wecken.

Teilnehmer wollen lernen, mit dem Tod umzugehen

„Meinem Vater haben wir vor seinem Tod mit einer Spritze ein paar Tropfen Kaffee und Grießbrei gegeben, weil er das am liebsten mochte“, erinnert sich eine Teilnehmerin beim Letzte-Hilfe-Kurs an ihre eigenen Erfahrungen mit der Mundpflege. Sie hat in ihrem Leben schon mehrere schwerkranke Familienmitglieder betreut und möchte sich bei dem Kurs austauschen und dazulernen.

So wie 13 weitere Teilnehmerinnen, die beim Lehrgang im Pfarrheim der Kirchengemeinde St. Antonius in Niederholtorf dabei waren. „Mein Vater ist gestorben, als ich 13 war“, berichtet eine andere Teilnehmerin. „Damals war ich überfordert. Das nächste Mal, wenn jemand, der mir nahe steht, stirbt, möchte ich besser vorbereitet sein“, begründet sie ihre Teilnahme.

Der Sterbeprozess löst ein Gefühlschaos aus

„Ich war dabei, als meine Mutter gestorben ist, und fand nicht gut, wie die Fachleute da mit ihr umgegangen sind“, sagt eine andere Teilnehmerin und möchte lernen, wie man besser mit dem Tod und den Sterbenden umgehen kann.

Der Sterbeprozess löse ein Gefühlschaos nicht nur bei Angehörigen, sondern auch den Sterbenden aus, weiß die Referentin. Ein Patient habe ihr das bei ihrer Arbeit auf der Palliativstation so erklärt: „Ich verabschiede mich von allem, was ich angesammelt habe, aber bevor das mich frei macht, tut es unglaublich weh“. Auch Angehörigen falle es schwer, einen geliebten Menschen gehen zu lassen. Wie kann man damit umgehen?

„Ein guter Abschied ist wichtig, um neu anfangen zu können“

„Ein guter Abschied ist wichtig, um neu anfangen zu können“, weiß die Referentin. Deswegen sollten Menschen, die einander nahe stehen, über dieses Thema sprechen. „Was ist dir am Ende wichtig?“, sollte eine Frage sein, die Familienangehörige oder Freunde einander stellen. Schließlich bedeute der Tod einer geliebten Person eine große Veränderung im Leben der anderen. Genauso wichtig sei ein selbstbestimmter Abschied aus dem Leben für die Sterbenden.

Alleine müssen Sterbende und Angehörige den Weg nicht gehen: Auf einer Palliativstation im Krankenhaus kann medizinisches Fachpersonal besonders auf die Beschwerden von Sterbenden eingehen. Im Hospiz werden Menschen vor ihrem Tod aufgenommen, wenn sich die Angehörigen zu Hause nicht mehr um sie kümmern können. Das sollte aber eine begründete Ausnahme sein, findet von Schmude.

Die meisten Menschen möchten daheim sterben

80 Prozent der Menschen in Deutschland wünschten sich nämlich, in vertrauter Umgebung zu sterben, so die Referentin. Dafür gebe es den ambulanten Hospizdienst, der zusätzlich zum Pflegedienst Sterbende und ihre Angehörigen betreut. Dabei helfen auch die circa 80 ehrenamtlichen Mitarbeiter des Hospizvereins Beuel, die unter anderem von Andrea von Schmude ausgebildet werden.

Zusätzlich könne auch eine gute Vorsorge am Lebensende für die Angehörigen eine Entlastung sein. Die Vorsorgevollmacht lege zum Beispiel fest, welche Person Entscheidungen für den Sterbenden treffen darf, wenn dieser nicht mehr dazu in der Lage sein sollte.

Patientenverfügung für den Notfall vorbereiten

Die Wünsche und Vorstellungen für das Lebensende können in einer Patientenverfügung festgelegt werden, wie von Schmude den Teilnehmern erklärt. Darin stehe, wie der Patient (medizinisch) behandelt werden möchte, sollte er nicht mehr selbst entscheiden können. Zum Beispiel, wenn es um lebenserhaltende Maßnahmen oder andere ärztliche Eingriffe gehe.

„Die Wünsche von jungen und alten Menschen für die Verfügung unterscheiden sich“, weiß die Referentin. Trotzdem sollte jeder Mensch für den Notfall eine Verfügung vorbereiten. Im Idealfall werde diese alle drei bis fünf Jahre überprüft und neu unterschrieben.

Trauer ist kein Makel

„Der Tod gehört zum Leben dazu“, sagt von Schmude. Er solle deswegen kein Tabuthema sein: „Wir müssen respektvoll und trotzdem mutig darüber reden“. Nach dem Tod eines geliebten Menschen sei ein Gefühlschaos normal, so von Schmude. Akzeptanz, Wut und Trauer wechseln sich ab. Die Referentin weiß, das viele Menschen Trauer aber als Makel sehen und diese Phase möglichst überspringen wollen. „Der Mensch ist in der Lage, diesen Schmerz zu überwinden“, tröstet sie.

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