Nach Explosion THW-Einsatz in Beirut wird von Bonn aus gesteuert

Bonn · Nach der gewaltigen Explosion in Beirut sind ehrenamtliche Helfer aus der Region und ganz Deutschland im Einsatz. Das THW steuert ihn vom Lagenzentrum in Bonn aus.

 Im Lagezentrum des THW in Bonn koordinieren die Helfer den Bergungseinsatz in Beirut. 50 Ehrenamtliche sind dort im Einsatz.

Im Lagezentrum des THW in Bonn koordinieren die Helfer den Bergungseinsatz in Beirut. 50 Ehrenamtliche sind dort im Einsatz.

Foto: Nicolas Ottersbach

Binnen Sekunden hat die gewaltige Explosion im Hafen Beiruts ganze Stadtteile verwüstet. Zu diesem Zeitpunkt wusste Georgia Pfleiderer noch nicht, dass sie bald mittendrin stehen würde. „Eine unglaubliche Zerstörung“, erzählt die Bonnerin. Sie ist mit dem Technischen Hilfswerk (THW) in den Libanon gereist, um Ordnung in das Chaos zu bringen, um Leid zu lindern. Die rund 50 ehrenamtlichen Helfer aus der Region und ganz Deutschland suchen in den Trümmern nach Verletzten, retten sie und unterstützen die Botschaft, damit sie sich weiter um die deutschen Staatsangehörigen im Krisengebiet kümmern kann. Koordiniert wird alles im Lagezentrum in Lengsdorf.

Dort ist die Pinnwand vollgepappt. Was für Fremde nach völligem Durcheinander aussieht, ist gut geplant. Eine Sinfonie aus Karten, Telefonnummern, Satellitenfotos und Lageberichten. Im Hintergrund laufen Bilder ausländischer Fernsehsender, in denen lokale Informationen über den Ticker laufen. „Das ist vor allem in den ersten Stunden wichtig, wenn wir noch nicht vor Ort sind“, sagt Susanne Wacht (51). Als Leiterin des THW-Krisenstabs hat sie den Überblick über alles, was gerade in Beirut passiert. Sie betrachtet die Entwicklungen sachlich, mit Distanz. Und ist immer ihrer Zeit voraus. Gerade stellt sie einen Leitfaden zusammen, wie mit den Helfern umgegangen werden muss, wenn sie wieder nach Deutschland kommen. „Wir müssen dabei auch an die Coronavirus-Pandemie denken. Deshalb kommen wir bei der Rückkehr um eine Quarantäne wohl nicht herum.“ Dabei sind die Helfer noch keinen Tag vor Ort.

Zahlreiche Übungen haben Helfer vorbereitet

In zahlreichen Übungen ist der Leitungsstab das Vorgehen in Krisenfällen durchgegangen. „90 Prozent unserer Arbeit passiert vorher in  der Vorbereitung, aber jede Lage ist anders. Etwas wie in Beirut habe ich noch nicht erlebt“, erklärt Wacht, die schon viele Einsätze mitgemacht hat. Routine ist nicht nur für die Führungskräfte, sondern auch die Helfer essenziell. In den Ortsverbänden bekommen sie nicht nur eine Grundausbildung, sondern spezialisieren sich auch.

In Beirut ist die SEEBA gefragt, die Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland. Sie wurde nach der Erdbebenkatastrophe in Mexiko 1985 entwickelt. Innerhalb von sechs Stunden ist sie fertig für den Abmarsch und kann sich im eigenen Camp mindestens zehn Tage autark versorgen. Das Material, rund 16 Tonnen, lagert in Mainz, damit es über die Flughäfen Frankfurt und Haan in die ganze Welt gebracht werden kann. Die zentrale Lage hat auch den Vorteil, dass die Helfer aus allen Regionen gleich schnell anreisen können.

Auftrag kommt von Innenministerium und Bundesregierung

Wann das Technische Hilfswerk im Ausland zum Einsatz kommt, entscheidet es nicht selbst. Im Katastrophenfall ersuchen die betroffenen Staaten internationale Hilfe. Die Länder melden dann, was sie anbieten können, oftmals gebündelt. Für die EU passiert das in Brüssel. So leistet jeder einen kleinen Beitrag, der in der Summe eine schlagkräftige, flexible Truppe bildet. Der Auftrag kommt dann vom Innenministerium und der Bundesregierung. „Am Schlechtesten wäre, wenn jeder alles losschickt, das muss geordnet sein“, erklärt Wacht. Es werde beispielsweise darauf geachtet, dass sich die Spezialeinheiten über Landesgrenzen hinweg ergänzen. Neben dem Berge-Team hat das THW auch eines für die Wasseraufbereitung.

Wer im Ausland eingesetzt werden will, muss auch dafür geeignet sein: Die körperlichen Belastungen sind groß. In Beirut machen dem THW das heiße Wetter und die hohe Luftfeuchtigkeit zu schaffen, wie Pfleiderer, die vor Ort Medien betreut, erzählt. Aber auch die Psyche kann leiden. „Ich sehe, höre, rieche und vielleicht schmecke ich es auch. Das belastet und bleibt im schlimmsten Fall in Erinnerung. Hier muss man die Einsätze zusammen nachbereiten, miteinander sprechen und Erfahrungen austauschen“, sagt THW-Vizepräsidentin Sabine Lackner.

Selbst für die Angehörigen ist ein Kriseneinsatz oft schwer. „Aber sie wissen, dass ich gut trainiert bin und mich nicht in unnötige Gefahren begebe“, erzählt Pfleiderer. Sie und ihre Kollegen nehmen die Strapazen gerne auf sich. „Mir ist es wichtig einen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen zu leisten, die notleidend sind und Hilfe brauchen.“ Auch Susanne Wacht, die schon mit dem THW beim Ebola-Ausbruch in Äthiopien half, hat diesen Antrieb. „Ich will nicht hilflos zusehen, wenn etwas Schlimmes passiert. Beim THW bin ich nicht machtlos.“

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