Stadt zieht Bilanz ihrer geförderten Ideenwerkstatt In Bad Honnef klappt das Arbeiten, wann und wo man will

Bad Honnef · Wie sehen Mobilität und Arbeitsleben im Jahr 2035 aus? Diese Frage stand im Zentrum einer Ideenwerkstatt in Bad Honnef, die vom Bund gefördert wurde. Von den Ergebnissen verspricht sich die Stadt, im Bundeswettbewerb Mobilwandel 2035 die nächste Hürde nehmen zu können.

 Projektleiterinnen Kathrin Schmidt (l.) und Miriam Brackelsberg ziehen Bilanz der Ideenwerkstatt. Der Testlauf eines Coworking Spaces an der Bahnhofstraße als Projektbestandteil ist damit beendet.

Projektleiterinnen Kathrin Schmidt (l.) und Miriam Brackelsberg ziehen Bilanz der Ideenwerkstatt. Der Testlauf eines Coworking Spaces an der Bahnhofstraße als Projektbestandteil ist damit beendet.

Foto: Frank Homann

Für Sebastian Luhmer ist Coworking eine echte Alternative – und das nicht nur, wenn wie Anfang Februar ein Mülllaster die oberirdische Glasfaserverbindung kappt und der Rheinbreitbacher Ortsteil Breite Heide über vier Tage vom Netz abgeschnitten ist. „Da war das hier natürlich die Rettung“, sagt Luhmer über den sogenannten Coworking Space in Bad Honnef. Er ist froh, dass ihm langes Pendeln nach Köln trotz erzwungener Homeoffice-Auszeit erspart blieb. Wie Luhmer, der auch ohne Glasfaser-Desaster einmal pro Woche vom heimischen ins externe Büro wechselte, sah es das Gros der Arbeitnehmer und Selbstständigen, die den Coworking Space an der Bahnhofstraße nutzten. Und die, so hieß es bei der Bilanz der „#Ideenwerkstatt 2035“, sähen es gerne, er würde zur Dauereinrichtung.

Ob das gelingen kann und wie sich das, zum Beispiel mit der Beteiligung von Unternehmen, dann auch wirtschaftlich tragen kann, wird sich zeigen: Nach Abschluss der ersten Projektphase zum Bundeswettbewerb „#Mobilwandel 2035“ hofft die Stadt zunächst, basierend eben auf den Ergebnissen ihrer Ideenwerkstatt, die nächste Stufe auf der Wettbewerbs-Leiter zu erklimmen. Der Antrag für Phase zwei, bei der der Bund einen Fördertopf von vier Millionen Euro für die fünf Siegerkommunen ausschütten wird, wird bald auf den Weg gebracht. Die zweite Phase des Wettbewerbes startet im November, der Projektzeitraum, in dem Ideen umgesetzt werden, beträgt zwei Jahre. Wenn es denn gelingt, teilzunehmen.

Schritt eins ist schon mal getan: Im August hatte die Stadt ihre Ideenwerkstatt gestartet; als eine von zehn Siegerkommunen des Bundeswettbewerbs hatte sie dafür den Zuschlag für 150 000 Euro Förderung vom Bundesumweltministerium erhalten. „Wir sind sozusagen der Underdog“, erinnerten Miriam Brackelsberg und Kathrin Schmidt, bei denen im Rathaus die Fäden für das Projekt zusammenlaufen, an das große Bewerberfeld aus 140 Großunternehmen, Hochschulen und Metropolen wie Hamburg.

Zu verstecken brauchte sich Bad Honnef als kleine Kommune offenbar nicht. Ein roter Faden, so Schmidt: In Phase eins ging es um die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, als geborene Experten der eigenen Mobilitätsgewohnheiten sozusagen. Eine Online-Umfrage, für die sich 750 Teilnehmer jeweils gut 20 Minuten Zeit nahmen, ein Online-Pendlertagebuch, bei dem 16 Teilnehmer ihre Erfahrungen auf dem Weg zur Arbeit und wieder nach Hause notierten, Workshops und ein „Tag der Mobilität“ waren Teile der Ideenwerkstatt.

Klage über ÖPNV-Angebot und Pndlerstress

Wenig überraschend ist das Ergebnis: Pendlerstress im Stau und ein ÖPNV-Angebot, das als wirkliche Alternative zu teuer und zu schlecht sei, schlechte Radwegeverbindungen oder auch der Wunsch nach (E-)Car-Sharing-Angeboten wurden bei der Umfrage als sogenannte Freitextantworten genannt – und ebenso der Schaden für die Umwelt als Hauptgrund, etwas ändern zu wollen. Hingucker wie QR-Codes im Stadtbild warfen die Frage nach dem Mobilitätsverhalten jedes Einzelnen auf. Und dass es eine Woche lang „Null-Euro-Knöllchen“ vom Ordnungsamt gab, legte den Finger humorvoll in die Wunde: Die „heilige Kuh“ Mobilität bedeutet eben auch, dass Autos an 23 von 24 Stunden irgendwo rumstehen.

Wie sieht Mobilität im Jahr 2035 aus?

Im Zentrum der Ideenwerkstatt und weiterer Schritte steht immer die Frage, wie sich Mobilität bis 2035 entwickelt – und damit die Arbeitswirklichkeit. Dreh- und Angelpunkt für eine Kommune im Speckgürtel von Köln und Bonn ist es, Pendlerströme zu verringern, den Menschen und der Umwelt zuliebe. „Alle wissen, so kann es nicht weitergehen“, so Bürgermeister Otto Neuhoff. Der Klimawandel sei Realität, Handeln tue Not – und damit ein Umdenken jedes Einzelnen. Der berüchtigte innere Schweinehund? Weniger, so Neuhoff: „Das hat eher mit Gewohnheit und mit Trägheit zu tun. Wichtig ist es, an Stellschrauben zu drehen und darüber Erfahrungen zu sammeln, um zu Lösungen zu kommen. Genau das ist Ziel des Wettbewerbs.“

Die Erfahrungen in Bad Honnef könnten sich sehen lassen, dank des Projektteams und der Partner wie der Cowork AG, hieß es mehrfach. Eine Stellschraube, wenn es um verringerte Pendlerströme geht, sind jedenfalls Coworking Spaces. Über fünf Monate konnten Nutzer einen solchen an der Bahnhofstraße kostenlos nutzen. 323 Zugänge wurden registriert von 106 Nutzern, die den etwas anderen Arbeitsplatz im Schnitt 5,8 Stunden pro Tag in Anspruch nahmen. Erfahrungen brachten sie schon ein: So wurde eine Telefonbox installiert, um ungestörtes Telefonieren zu ermöglichen.

Zwei Drittel der Teilnehmer der Online-Umfrage gaben andererseits an, sich Coworking weniger oder gar nicht vorstellen zu können. Die Frage nach der Datensicherheit war einer der Gründe, es negativ zu sehen. Noch immer, so Tobias Kollewe, Vorstand der Cowork AG und Projektpartner der Stadt, sei Coworking erklärungsbedürftig – und das, obwohl in einschlägigen Umfragen wie der Uni Augsburg bis zu 100 Prozent der Beteiligten es als Alternative sähen.

Für Luhmer und Relocation Coach Maite Lopez brauchte es keine Erklärung: Für den Account Manager in einem IT-Unternehmen und Lopez, die eigentlich in Irland lebt und auch dort im Homeoffice arbeitet und nun in der Heimatstadt Station machte, überwiegen die Vorteile. „Natürlich kann ich auch hier im Homeoffice arbeiten, auch das funktioniert gut. Aber wichtig war mir vor allem, nicht alleine zu Hause zu sitzen – und sich ablenken zu lassen, weil doch noch der Spül zu machen ist. Außerdem kommen einem hier auch neue Ideen“, so Lopez. Und Luhmer: „Natürlich habe ich einen Homeoffice-Platz, trotzdem war das hier einmal die Woche eine Art seelisch-moralischer Anker. Ich fände es gut, wenn es das dauerhaft gäbe.“

Was macht Coworking aus? Diese Frage stellte Kollewe beim abschließenden Vortrag in den Raum. Die Antwort: Arbeiten, wo und wann man will.

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