Zweifel am Erfolg des Projekts Warum „Zeitenwende“-Waldpädagoge Manfred Hören enttäuscht ist

Ippendorf · Mit dem Projekt „Zeitenwende“ wollte Manfred Hören auf den Klimawandel aufmerksam machen. Mittlerweile ist er enttäuscht.

 Waldpädagoge Manfred Hören zweifelt am Erfolg seines Projekts „Zeitenwende“.

Waldpädagoge Manfred Hören zweifelt am Erfolg seines Projekts „Zeitenwende“.

Foto: Stefan Hermes

Während Hunderte von kleinen weißen Zetteln mit Botschaften von Besucherinnen und Besuchern der Kahlschlagfläche „Zeitenwende“ an der Venner Allee im Kottenforst bezeugen, wie sehr sie der Zustand des Waldes beunruhigt, hat Waldpädagoge Manfred Hören erhebliche Zweifel an der nachhaltigen Wirkung seiner zum Ort gewordenen Idee. „Das ist nur noch ein heimeliger Ort“, sagt er und deutet auf Bänke und Liegen, auf Fotoausstellung und Erklärtafeln, die den Wald an der Zeitenwende zu einem Ausflugsort haben werden lassen. „Man kommt am Sonntagnachmittag hierher und nimmt den Weckruf, der dahinter steckt, lediglich als kleines Schmankerl mit nach Hause“, mutmaßt Hören.

Dabei erinnert er sich daran, wie lang und mühsam der Weg war, Überzeugungsarbeit dafür zu leisten, an dieser Stelle des durch Borkenkäfer und Dürre sichtbar gewordenen Klimawandels dieses „Mahnmal“ für die Natur einzurichten. Seit dem Frühjahr 2020 prangert schon von Weitem sichtbar der überdimensionale Schriftzug „Zeitenwende“ die von Menschen gemachte Katastrophe mit Kahlschlag und den bewusst stehengelassenen abgestorbenen Fichten an.

„Wo ist die Vision einer Politik in die Zukunft?“

„Zunehmend habe ich den Eindruck, dass der Ort nur noch der Unterhaltung dient“, so Hören. Prominente Bonner wie Konrad Beikircher gaben Interviews zur Zeitenwende oder nutzten wie Eckart von Hirschhausen die Kulisse, um dort für eine Öko-Bank über die Klimakatastrophe sowie mögliche Lösungswege (nicht nur) für den Finanzsektor zu sprechen. Die Alanus Kunsthochschule veranstaltete auf der Freifläche genauso Ausstellungen wie der Fotoclub Bad Godesberg. In Kinderwaldwochen wurden Baumrinden bemalt und Holzhocker aus Baumscheiben gebaut, und die Kinder erfuhren dabei „ganz nebenbei“ die Dringlichkeit, sorgsam mit der Umwelt umzugehen.

Hören initiiert und beobachtet die Geschehnisse genau. Natürlich sei er froh über jede und jeden, der oder die sich aktiv vor Ort mit der Zeitenwende beschäftige, „doch was bewirkt deren Handeln hier vor Ort?“, fragt er sich. „Da draußen geht der Zirkus weiter“, sagt er. So sei es auch mit den katastrophalen Stürmen „Wibke“ und „Lothar“ gegangen, alles sei immer so schnell vergessen. Allzu schnell kehre man wieder zum Alltag zurück. „Vielleicht“, überlegt Hören, habe der Mensch – „Gott sei Dank“ – die Gabe, alles so schnell vergessen zu können.

Doch unter dem Eindruck der existenziellen Sorgen einer Familie, die er nach der Flutkatastrophe an der Ahr bei sich aufgenommen hatte, scheinen bei Hören die Zweifel an der Sinnhaftigkeit seines Tuns gewachsen zu sein. „Wann werden wir endlich kapieren, dass wir handeln müssen?“ Man müsse sich darüber klar werden, dass wir jeden Atemzug, den wir tun, dem Wald zu verdanken haben, sagt Hören. Es reiche nicht, sich an den „Wohlfühlort Zeitenwende“ zu begeben, sondern es müsse von dort auch ein politisch wirksames Handeln ausgehen. Warum landeten die Studien vom Club of Rome, von Shell und den Umweltverbänden in den Schubladen? Wann begreife man endlich, dass die Naturkatastrophen an der Ahr, in Griechenland, der Türkei, in den USA oder auf Haiti mehr Geld kosteten als der Versuch, den Klimawandel aufzuhalten? „Wo ist die Vision einer Politik in die Zukunft?“, fragt er sich angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen.

Ein Fazit mit 64

Warum sei man immer nur in den kleinen Zeitfenstern von Legislaturperioden unterwegs? „Von den aktuellen Wahlprogrammen, die ich kenne, wünschte ich mehr Mut, mehr Einschnitte, mehr Nachhaltigkeit“, sagt er. Es könne ja nicht mehr anders gehen, als dass es jedem Einzelnen wehtue. „Aber das traut sich keiner zu sagen“, resigniert Hören.

Dann spricht er einen Satz aus, der der Schlüssel zu seinem Denken sein dürfte: „Es wird keinen Klimawandel geben, wenn sich das Klima zwischen den Menschen nicht ändert.“ Wenn man nicht über die Ländergrenzen hinweg sich die Hände reichen würde, werde auch nichts geschehen, so der Waldpädagoge, der mit 64 Jahren dabei ist, ein Fazit zu ziehen.

„Vielleicht war die Zeitenwende für mich ein Dankeschön an den Wald am Ende meines Berufslebens“, sagt Hören. Er zog sich bereits früh in den Wald zurück, nachdem er durch persönliche Schicksalsschläge sein Studium abgebrochen und sich für die Lehre zum Forstwirt entschieden hatte. So baute er unter anderem zwanzig Jahre lang das Haus der Natur an der Waldau mit auf und wurde dadurch zu einem viel geachteten und gern gesehen Waldpädagogen für Tausende von Kindern und Jugendlichen in Bonn, denen er mit seiner Sichtweise den Blick für die Natur schärfen konnte.

In der Zeitenwende schien sich für Hören zunächst vieles von dem zu verwirklichen, was für ihn den pä-
dagogischen Teil seines Berufsleben ausmachte. Doch der Wunsch, dass die Zeitenwende auch einen Einfluss auf die Bonner Politik und Gesellschaft ausüben könnte, hat sich für ihn bis heute nicht erfüllt. Trotzdem gebe es Tage, sagt er, „da brenne ich für die Zeitenwende“.

Gerade plane er mit dem ehemaligen Bonner Stadtdechanten Wilfried Schumacher, einen ökumenischen Gottesdienst vor Ort abzuhalten, und regt bildende Künstler, Musiker und Theatermacher an, den ökologischen Diskurs an der Zeitenwende fortzuführen. Während er davon berichtet, strahlen seine blauen Augen und er scheint für diesen Moment versöhnt zu sein, weil es weitergeht.

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