Baumkontrolleure im Einsatz Wie geht es den Bäumen im Bonner Stadtgebiet?

Bonn · Fünf Baumkontrolleure untersuchen in Bonn rund 100.000 Bäume regelmäßig auf ihren Zustand. Dabei achten sie auf abgebrochene Äste, aber auch auf den Riesenporling.

 Baumkontrolleurin Donia Al Shomer misst die 140 Jahre alte Blutbuche auf dem Alten Bonner Friedhof.

Baumkontrolleurin Donia Al Shomer misst die 140 Jahre alte Blutbuche auf dem Alten Bonner Friedhof.

Foto: Stefan Knopp

Mit dem Hämmerchen klopft Donia Al Shomer die betagte Blutbuche auf dem Alten Bonner Friedhof ab und lauscht. Sie sucht Hohlräume unter der Rinde. Mit dem metallenen Sondierstab dringt sie in Höhlungen ein, um Fäule oder sonstige Beschädigungen unter der Rinde zu erkennen.

Dann zückt sie das Maßband und misst den Stammumfang: 424 Zentimeter, zehn mehr als bei der letzten Messung. Klingt nach einer guten Entwicklung, aber der Baum ist alles andere als gesund. Im Wurzelwerk hat sich der Riesenporling festgesetzt, ein Pilz, der dem Baum schadet. Der Laie sieht diesen Schaden nicht.

Aber Al Shomer ist kein Laie: Sie ist eine der fünf Baumkontrolleure der Stadt Bonn, sie erkennt, dass der etwa 140 Jahre alte Friedhofsbaum kränkelt, und sie weiß, wonach sie suchen muss. All ihre Erkenntnisse aus der Untersuchung trägt sie in ihr Tablet ein. So werden die Daten direkt ins digitale Baumkataster übertragen, Schulnoten für den Zustand inklusive.

Die Blutbuche erhält die Note 4, das ist nicht so gut. Bei ihr müsse man Obacht geben, sagt Baumexperte Rolf Dung, vor allem, da sie nahe an der Friedhofsmauer steht und schlimmstenfalls auf die Straße kippen könnte. Er gibt dieser Buche noch fünf bis zehn Jahre. Ein Ersatz, eine Amerikanische Eiche, die gut mit Hitze und Trockenheit zurechtkommt, ist nebenan bereits gepflanzt.

Fünf Kontrolleure für 100.000 Bäume – das bedeutet jede Menge Arbeit. Jeder Kontrolleur schafft am Tag 60 bis 120, jeder Baum im Stadtgebiet, das in zwölf Reviere aufgeteilt ist, wird alle 15 Monate untersucht – ausgenommen die Waldbäume. Die Kontrolleure sichten den Baum von der Krone – bei größeren auch mit dem Fernglas – bis zur Wurzel, laufen dafür mehrmals um den Stamm herum. Bei jeder vierten Kontrolle wird der Stammumfang gemessen, in kürzeren Abständen lohnt sich das bei den älteren Bäumen nicht.

Über den Eintrag ins digitale Kataster erhält jeder Baum seine eigene Historie. Zugleich sind dort notwendige Maßnahmen für jeden Baum ablesbar. Dafür beschäftigt die Stadt 13 Baumpfleger. Die entfernen Totholz und von Schädlingen befallene Äste, beschneiden junge Bäume für eine gute Entwicklung, sichern Kronen älterer Bäume mit Seilen, damit sie nicht auseinanderbrechen. Weiterhin sorgen sie für das richtige Lichtraumprofil, durch das alle Verkehrsteilnehmer Straßen und Wege nutzen können: Über Gehwegen sollten in der Regel 2,25 Meter Luftraum freigehalten werden, über Radwegen 2,5 und über der Fahrbahn 4,5 Meter. Dadurch sollen auch Straßenschilder immer gut erkennbar bleiben.

Ast kann jederzeit runterfallen

Die Baumpfleger müssen auf dem Alten Friedhof zum Beispiel bei einer der Platanen tätig werden. Einer der letzten Stürme hat einen Ast abgebrochen, der jetzt über einem anderen Ast hängt, aber jederzeit herunterfallen kann. Weiter oben sieht Al Shomer einen anderen abgestorbenen Ast: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der herunterkommt. Wenn die einem Friedhofsbesucher auf den Kopf fallen, bekommt die Stadt Ärger. Das will man natürlich vermeiden. Ansonsten ist dieser Baum gesund, auf ihrem Tablet liest die Kontrolleurin die Schulnote 2 ab.

 Baumkontrolleurin Donia Al Shomer erklärt, warum die Blutbuche auf dem Alten Friedhof nicht so gesund ist wie sie aussieht.

Baumkontrolleurin Donia Al Shomer erklärt, warum die Blutbuche auf dem Alten Friedhof nicht so gesund ist wie sie aussieht.

Foto: Stefan Knopp

Äste können absterben, das kann am Alter liegen oder an der Trockenheit in vergangenen Sommern oder auch an der Massariakrankheit, die das Holz angreift und brüchig macht. Aktuell sei es noch nicht so trocken, dass die Bäume darunter leiden würden, sagt Dieter Fuchs, Leiter des Amtes für Stadtgrün. „Aktuell haben wir keine so dramatische Abbruchsnot.“ Denn anders als etwa 2019 regnet es ja hin und wieder.

Der Riesenporling ist kein neues Phänomen, sagt Dung. Den gab es schon immer, und er sorgt auch nicht von heute auf morgen für Probleme. „Der Pilz kann auch schon 50 Jahre da sein“, sagt er. „Das ist ein schleichender Prozess.“ Gewinnen kann man gegen diesen Pilz nicht, man kann den Verfall nur hinauszögern, indem man ihn entfernt, wo man ihn sieht. Das sei auch keine Folge des Klimawandels – der könne aber den Befall begünstigen.

Krumm oder gerade?

Und es gibt noch diverse andere Dinge, auf die die Kontrolleure achten müssen: Ist der Baum insgesamt vital, ist er gerade gewachsen, oder hat sich die Krone einseitig entwickelt? Weist die Rinde Verletzungen auf? Finden sich Anzeichen für Erkrankungen oder Befall? Dafür brauchen die Kontrolleure ein gutes Auge und am besten viel Erfahrung. Oftmals, sagt Fuchs, seien die Kontrolleure Baumschulisten, Garten- und Landschaftsbauer oder, wie Al Shomer, ehemalige Forstfachleute. Sie müssen einen Lehrgang absolvieren, an dessen Ende die Zertifizierung durch die Forschungsgemeinschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau, kurz FLL, steht. Diese Zertifizierung ist auch dann wichtig, wenn vor Gericht eine Expertenmeinung gefragt ist. Generell gilt für Fuchs: je mehr Erfahrung, desto besser.

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