Streik an der Bonner Uniklinik „Wir könnten das Doppelte an Personal brauchen“

Update | Bonn · 200 Mitarbeiter der Uniklinik Bonn beteiligten sich am Streik, den die Gewerkschaft we­gen der lau­fen­den Ta­rif­ver­hand­lun­gen ausgerufen hatte. Wie ist der Krankenhausbetrieb solange geregelt? Und wie ist die Corona-Lage auf den In­ten­siv­sta­tio­nen in Bonn?

 Angehörige der Gewerkschaft GEW haben am Dienstag auf dem Bonner Marktplatz für mehr Gehalt demonstriert.

Angehörige der Gewerkschaft GEW haben am Dienstag auf dem Bonner Marktplatz für mehr Gehalt demonstriert.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Intensivstationen füllen sich, und das Klinikpersonal streikt? Für die Gewerkschaft Verdi ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: Mangels einer Einigung im Tarifstreit hat sie zu einem eintägigen Warnstreik an fünf Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen aufgerufen, die Bonner Uniklinik ist an diesem Mittwoch an der Reihe. Auf dem Venusberg geht man derweil davon aus, dass sich die Beeinträchtigungen in Grenzen halten.

Wie ein Sprecher von Verdi mitteilte, beteiligten sich 200 Mitarbeiter an dem Streik in Bonn. Einige streikende Kräfte aus den Operationssälen und der Anästhesie mussten kurzfristig an die Arbeitsplätze zurückkehren, um den vereinbarten Notbetrieb aufrechtzuerhalten. Verdi kündigte zudem weitere Streikmaßnahmen in Bonn für den 16., 17. und 18. November an.

Bei der Demonstration, die am Dienstagvormittag mit knapp 50 Personen durch die Bonner Weststadt in die Innenstadt zog, dominierten noch die Fahnen und Logos der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW. Die Arbeitgeber hätten „die Warnstreiks durch ihre Blockade provoziert“, sagt der Bonner GEW-Chef Rolf Haßelkus. Besondere Aufmerksamkeit gilt mitten in der Corona-Pandemie naturgemäß jedoch den angekündigten Arbeitsniederlegungen im Gesundheitswesen.

Ein Drittel der knapp 45 Operationssäle auf dem Venusberg bleibe entsprechend der geschlossenen Notdienstvereinbarung mindestens in Betrieb, Stationen mit Corona-Patienten sollen in jedem Falle arbeitsfähig bleiben, erläutert Gewerkschaftssekretär Arno Appelhoff, bei Verdi zuständig für die Bonner Uniklinik. Wackeln könnten hingegen Teile der elektiven – also nicht akut erforderlichen – Aufnahme von Patienten. Appelhoff, selbst gelernter Krankenpfleger, sagt im Rückblick auf den Beginn der Corona-Pandemie: „Den Applaus für das Pflegepersonal gab es gestern. Viele arbeiten am Limit, und von der Politik hört man nur warme Worte.“ Von den Tarifverhandlungen sind dem Funktionär zufolge am Bonner Universitätsklinikum rund 2500 Menschen betroffen.

Bonn ist von Triage weit entfernt

„Unser Fachpflegepersonal stellt seit Beginn der Pandemie außergewöhnlich engagiert und belastet die Versorgung der schwer erkrankten und aktuell leider oft ungeimpften Patienten gemeinsam mit dem ärztlichen Dienst und allen anderen Berufsgruppen sicher. Dafür kann man mal Danke sagen!“, konstatiert UKB-Pflegedirektor Alexander Pröbstl am Tag vor dem Warnstreik. Daneben gelte es beispielsweise Unfallopfer oder Infarktpatienten zu retten und zu pflegen. „Leider halten sich diese dramatischen Ereignisse nicht an Streikaufrufe“, so Pröbstl. Man werde „wieder alles geben, um die Versorgung sicherzustellen“.

Von Warnungen vor der Notwendigkeit einer „Triage“, also der Priorisierung medizinischer Hilfeleistung, wie sie aus anderen Städten zu hören sind, ist das Bonner UKB nach Lage der Dinge mit derzeit acht invasiv beatmeten Covid-Patienten jedenfalls weit entfernt – auch wenn das offizielle Divi-Intensivregister Bonn zuletzt bei den freien Intensivbetten im bedrohlich wirkenden niedrigen einstelligen Bereich führte. Darauf angesprochen, verweist Wolfgang Holzgreve auf die seit Beginn der Pandemie geschaffenen Erweiterungsmöglichkeiten von 120 auf 200 Plätze auf den Intensivstationen. Mit Blick auf den Streik teilte Holzgreve mit, man werde auch weiterhin Patienten auf den Intensivstationen aufnehmen. „Wir haben am UKB den in Deutschland vierthöchsten durchschnittlichen Fallschweregrad, und deswegen können unsere medizinischen Eingriffe kaum einfach abgesagt oder verschoben werden“, so der UKB-Chef. Eine große Herausforderung, so Holzgreve, bleibe die Bereitstellung von Pflege-Personal.

„Die hohe Auslastung der Intensivbetten ist auf den Regelbetrieb zurückzuführen, der derzeit wieder in den Krankenhäusern läuft“, sagt Yon-Dschun Ko, Ärztlicher Direktor der Johanniter-Kliniken Bonn. Viele verschobene Operationen würden jetzt nachgeholt, was aber jederzeit gestoppt werden könne, sollte die Zahl der intensivpflichtigen Patienten mit Corona steigen. Ko weiter: „Es gibt derzeit keine Engpässe bei der Zahl der Betten oder der Technik, sondern es besteht ausschließlich ein Pflegeproblem in Gesamtdeutschland. Wir könnten das Doppelte an Personal brauchen, um alle Betten betreiben zu können.“

Trotz derzeit steigender Fallzahlen sieht sich das Helios Klinikum Bonn/Rhein-Sieg gewappnet, kurzfristig könnten Kapazitäten aufgestockt werden. Am Dienstag behandelte die Klinik drei Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung auf ihrer Intensivstation, zwei davon werden beatmet. In erster Linie seien die Intensivpatienten nicht geimpft. „Allein durch die Möglichkeit einer Impfung, die es im vergangenen Jahr noch nicht gab, haben wir nun eine andere Situation“, so Helios-Sprecherin Christina Fuhrmann. Für das Bonner Gemeinschaftskrankenhaus teilte dessen Sprecherin Katharina Müller-Stromberg mit: „Aktuell gibt es aus unserer Sicht keine Notwendigkeit zur Betten-Aufstockung.“ Die Auslastung der Intensivstationen sei zwar hoch, entspreche aber den Vorjahren. Für den Fall einer Verschärfung lägen entsprechende Pläne bereit.

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(Mit Material von dpa)
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