Yüksel Weßling darf nicht ausreisen Bonnerin droht Prozess in der Türkei

Bonn · Die Bonnerin Yüksel Weßling wird seit Monaten in der Türkei festgehalten. Unterstützer haben für sie nun Hilfe organisiert. Jetzt droht ihr ein Gerichtsverfahren.

 Yüksel Weßling mit ihrem Ehemann bei der Abschiedsfeier im hannoverschen Jugendamt

Yüksel Weßling mit ihrem Ehemann bei der Abschiedsfeier im hannoverschen Jugendamt

Foto: Jürgen Weßling/privat

Die Bonnerin Yüksel Weßling darf seit zehn Monaten nicht aus der Türkei ausreisen. Mittlerweile liegt eine ausführliche 56-seitige Anklageschrift vor, in der ihr unter anderem vorgeworfen wird, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. In einem Aufruf für die sofortige Aufhebung des Ausreiseverbots von Yüksel Weßling haben mehr als 150 Personen des öffentlichen Lebens unterschrieben.

Eigentlich wollte Yüksel Weßling im August 2019 ihren Bruder noch einmal in der Türkei besuchen, der gerade im Sterben lag. Am 14. Oktober, als sie wieder nach Deutschland fliegen wollte, wurde sie in Istanbul festgenommen. Ihr Name stand auf einer Liste mit 500 weiteren Personen.

Vier Tage war sie in Gewahrsam der Polizei, erst in Istanbul, dann in Ankara. Dann war sie wieder frei. Doch das Land verlassen darf sie bis heute nicht. „Wir hatten zuerst noch gehofft, dass sie nach zwei oder drei Monaten wieder ausreisen kann“, sagt ihr Ehemann Jürgen Weßling. Ihr Antrag auf Ausreise wurde allerdings abgelehnt, worauf ihr Anwalt Widerspruch einlegte. „Durch Corona hat sich das noch länger hingezogen“, berichtet ihr Mann weiter. „Die türkischen Behörden haben monatelang nicht gearbeitet. Erst am 14. Juni haben sie wieder angefangen.“

Prozess vielleicht im September oder Oktober

„Es kann sein, dass es im September oder Oktober ein Verfahren gegen sie geben wird“, sagt Jürgen Weßling. „Ich muss damit rechnen, dass die Gefahr besteht, dass sie ins Gefängnis muss.“ Denn die türkische Justiz sei schwer berechenbar. Wie sie überhaupt auf diese Liste geraten ist, könne sie sich selbst nicht erklären, sagt ihr Ehemann dem GA.

Mit der Berichterstattung wolle er seine Frau auf keinen Fall in größere Probleme bringen. Positive Beispiele in den vergangenen Monaten haben ihn dazu bewegt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. „Eine Frau aus Nürnberg wurde im Januar freigelassen“, sagt Jürgen Weßling. Dabei handelt es sich um die Nürnberger Kommunalpolitikerin Senem Kartal. Nachdem sie monatelang in der Türkei festsaß, konnte sie im Januar wieder nach Deutschland zurückkehren. Jürgen Weßling hofft nun, dass auch seine Frau bald wieder nach Deutschland zurückkehren zu können.

Ehepaar lebt seit Ende 2019 in Bonn

Yüksel Weßling lebt mit ihrem Mann seit Ende 2019 in Bonn. Davor wohnten und arbeiteten beide 27 Jahre lang in Hannover. Die 65-Jährige arbeitete dort bei der Stadt als Sozialpädagogin im Amt für Jugend und Familie. In der hannoverschen Stadtverwaltung war sie für die Integration von Migranten tätig. Sie hatte beruflich viel mit Migrantenorganisationen wie etwa dem deutsch-kurdischen Verein zu tun. In ihrer Freizeit hat sie sich für Menschenrechte eingesetzt. Sie war im Freundeskreis Hannover-Diyarbakir aktiv und hat an Veranstaltungen gegen Freiheits- und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei teilgenommen.

Den Aufruf, der ihre Freilassung fordert, haben mittlerweile mehr als 150 Personen unterschrieben. Darunter etwa der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der Oberbürgermeister Hannovers Belit Onay, die Theologin Margot Käßmann sowie der Schriftsteller Günter Wallraff. Auch Bonner Politiker haben sich dem Aufruf angeschlossen. Etwa Bernhard von Grünberg (SPD) und der Linken-Stadtverordnete Jürgen Repschläger.

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