Gründer und Leiter der Klassischen Philharmonie Bonn Dirigent Heribert Beissel mit 88 Jahren gestorben

Bonn · Zum Tod von Heribert Beissel, der mehr als sechs Jahrzehnte zu den prägenden Musikern der Bonner Kulturszene zählte. Seine „Wiener Klassik“-Reihe war ein Publikumsmagnet.

 Heribert Beissel dirigiert 2018 ein Konzert des „Poppelsdorfer Sommers“ im Arkadenhof der Universität.

Heribert Beissel dirigiert 2018 ein Konzert des „Poppelsdorfer Sommers“ im Arkadenhof der Universität.

Foto: Barbara Frommann

Der Ruhestand ist für mich kein Thema“, sagte der Dirigent Heribert Beissel in einem Gespräch mit dieser Zeitung zu seinem 85. Geburtstag. Den Gründer und jahrzehntelangem Chefdirigenten der Klassischen Philharmonie Bonn hat so leicht nichts aus dem Tritt gebracht. Er war einer, der auch in hohem Alter den Blick immer nach vorne richtete. Es musste erst eine Pandemie kommen, die seinen Tatendrang ausbremsen konnte. Resigniert hatte er dennoch nicht. „Ich werde kämpfen!“, versprach er im Juni vergangenen Jahres. Nun ist Beissel nach kurzer Krankheit mit 88 Jahren verstorben. Wie die Klassische Philharmonie am Dienstag mitteilte, war er den Folgen mehrerer Schlaganfälle erlegen. Dass er den Neustart seines Orchesters sowie der populären Reihe „Wiener Klassik“ nicht mehr miterleben kann, ist eine tragische Pointe eines sehr erfüllten Künstlerlebens.  

Junger Orchestergründer

Geboren wurde Beissel 1933 in Wesel am Niederrhein. Seine schulische Ausbildung erhielt er auf dem Internat Gaesdonck in Goch, wo sie großen Wert auf die musische Ausbildung der Schüler legten. Früh stand für Beissel fest, Dirigent zu werden. Er lernte dieses anspruchsvolle Handwerk bei dem legendären Günther Wand in Köln und studierte ergänzend dazu Komposition in Frankfurt bei Frank Martin. In Bonn, wo er auch häufig Opern dirigierte,  gründete er bereits als 25-Jähriger 1958 das Chur Cölnische Instrumentalensemble, aus dem später die Klassische Philharmonie wurde. „Wir hatten schon damals tolle Solisten wie Elly Ney zum Beispiel“, erinnerte sich Beissel im Gespräch vor einigen Jahren. „Ich bin mit dem Orchester dann sofort auch in die neue Beethovenhalle gegangen.“ Die Konzerte seien von Beginn an immer ausverkauft gewesen. Der Erfolg des Orchesters ermunterte ihn, ergänzend den Chur Cölnischen Chor Bonn ins Leben zu rufen, der seit 1968 besteht.

Die Ensembles sind aus Bonn nicht wegzudenken. Bereits im Beethovenjubiläumsjahr 1970 traten sie beim Beethovenfest auf. Später, in den 1980er Jahren, gründete Beissel die Reihe „Wiener Klassik“, die in der Beethovenstadt bis zur Corona-Krise ein echter Hit war. Den Erfolg exportierte er im Laufe der Jahre in elf weitere deutsche Großstädte und Musikmetropolen, darunter Berlin, München, Stuttgart und Hamburg. Noch als 85-Jähriger plante Beissel weitere Expansionen: „Uns schwebt da Leipzig vor“, sagte er damals.

Poppelsdorfer Schlosskonzerte

In Bonn bespielte er mit seinen jungen Musikern jedoch nicht nur die Beethovenhalle, sondern rief noch etliche weitere Musikreihen ins Leben. Die „Poppelsdorfer Schlosskonzerte“ waren ebenfalls ein Publikumsmagnet, darüber hinaus spielte man in kleiner Besetzung unter dem Namen Chur Cölnisches Kammerorchester in der Bad Godesberger Redoute und in der Kleinen Beethovenhalle Muffendorf. Hier machte er sein aufmerksames Publikum immer wieder mit dem Repertoire aus der Blütezeit der Bonner Hofkapelle bekannt.

Seinen Lebensmittelpunkt behielt Beissel stets im Rheinland. Bis zuletzt lebte der Fußballfan und Vater zweier Töchter in einem schönen, mit viel Liebe restaurierten Haus in Remagen. Von hier aus brach er aber auch immer wieder zu neuen Ufern auf. Dirigiert hat er in Tokio ebenso wie in Buenos Aires, aber auch bei großen Festivals wie den Bregenzer Festspielen und dem Schleswig-Holstein Musikfestival. Bereits 1971 übernahm er die Position als Chefdirigent an der Spitze der Hamburger Symphoniker, die er bis 1986 innehielt. In dieser Zeit hat er auch wiederholt eng mit der Hamburgischen Staatsoper und vor allem mit dem bedeutenden Ballettchef John Neumeier zusammengearbeitet.

Neue Aufgaben in den neuen Bundesländern

Für Heribert Beissel markierte die politische Wende nach dem Zusammenbruch der DDR auch einen künstlerischen Schwerpunktwechsel. Bereits 1991 wurde er Chef des Philharmonischen Staatsorchesters Halle, dem er bis 1999 in dieser Position verbunden blieb. Danach verpflichtete ihn das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt/Oder ab der Saison 2001/02 als Generalmusikdirektor. Beissel blieb bis 2006 und wurde anschließend zum Ehrendirigenten ernannt. Außerdem war er Mitbegründer und künstlerischer Leiter des Landesjugendorchesters Sachsen-Anhalt.

Die Nachwuchsföderung ist auch eine Kernaufgabe der  Klassischen Philharmonie. Beissel, der jede Probe akribisch vorbereitete, begriff das Ensemble als eine Art Orchester-Akademie. Hier kommen junge Musiker zusammen, die gerade ihr Studium abgeschlossen und eine oftmals glänzende Karriere vor sich haben. In vielen großen Orchestern Deutschlands sitzen Geiger oder Bläser, die unter Heribert Beissel ihre ersten Erfahrungen in einem professionellen Orchester sammeln konnten. Dies ist das Erbe des leidenschaftlichen und charismatischen Dirigenten.

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