Einsatz mit Kajaks und Ketten Aktivisten blockierten Shell-Werke in Wesseling und Godorf

Update | Wesseling · Eine Gruppe von Aktivisten blockierten am Freitag eine Zufahrt zur Shell-Raffinerie in Wesseling und den Hafen in Godorf. Die Aktion sollte auf das fehlende Umweltbewusstsein von Shell und anderen Konzernen aufmerksam machen.

 Aktivisten besetzten am Freitag für mehrere Stunden die Zufahrten zum Shell-Werk in Wesseling.

Aktivisten besetzten am Freitag für mehrere Stunden die Zufahrten zum Shell-Werk in Wesseling.

Foto: Katharina Weber

Klimaaktivisten hatten am Freitag den Betrieb der Shell-Raffinerie in Wesseling gestört. Etwa 35 Personen versammelten sich um sechs Uhr vor Tor 9 des Werks, um die Zufahrt zu blockieren. Dazu hatten sie sich an Betonfässer gekettet und in sechs Meter hohen Dreibeinen positioniert. Auch an Tor 1 und im Hafen waren Demonstranten unterwegs. Gegen 17 Uhr räumten die Aktivisten einem Shell-Sprecher zufolge die letzten Barrikaden am Wesselinger Werk weg. Die Aktion war Teil der bundesweiten Protestserie „Aufstand mit Abstand – Klima retten, Kapitalismus überwinden“.

Die Polizei sprach nach eigenen Angaben am Morgen zunächst einen Platzverweis gegen die Aktivisten aus. „Aktuell ist der Protest friedlich, es gab keine Straftaten“, verkündete die Polizei gegen 11.45 Uhr. Da es sich um einen unangemeldete Versammlung handele, habe das Gelände früher oder später geräumt werden müssen, erklärte ein Sprecher der Polizei Köln.

Gegen 12.30 Uhr begannen die Einsatzkräfte vor Tor 9, Demonstranten aus Betonfässern zu befreien. Jeweils zwei Aktivisten hatten einen Arm so mit dem Betonfass verbunden, dass die Polizei sie nur mit einem Presslufthammer herausmeißeln konnte. Die jungen Menschen erhielten Gehörschutz, Helm und Schutzbrille und wurden zusätzlich mit Decken von herumfliegenden Betonbröckchen abgeschirmt. Zum Schutz gegen die Hitze errichtete die Polizei über einem Demonstrantenpaar ein Zelt, die beiden anderen wurden mit Thermofolie geschützt. Gegen 15 Uhr waren sie befreit und die Zufahrt wieder frei.

Proteste in Godorf und am Shell-Werk in Wesseling
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Proteste an Shell-Werken in Godorf und Wesseling

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Foto: Katharina Weber

Shell als Symbol für den Kapitalismus

„Es gibt ganz viele Gründe, warum wir heute hier sind“, erklärte einer von ihnen, der „einfach nur Jona“ genannt werden wollte. „Shell als Teil eines zerstörerischen, umweltschädlichen, kapitalistischen Systems steht ganz oben auf der Liste.“ Der Konzern stelle giftige Stoffe her und schere sich nicht um die Konsequenzen, die die Ölförderung nicht nur in Deutschland sondern weltweit habe. „Das muss ein Ende haben“, forderte der 30-Jährige. Als Bürger einer Industrienation sieht er sich selbst als mitschuldig an, „weil ich meine Verantwortung als Teil des globalen Nordens und die des globalen Südens nicht gleichsetze“.

Nach Angaben des Shell-Sprechers stauten sich zunächst mehrere Tanklastwagen vor dem Tor der Raffinerie, sie seien dann jedoch zu einer anderem Zufahrt umgeleitet worden. Einige der blockierten LKW-Fahrer fühlten sich zunächst in ihrer Freiheit beraubt und hatten zwischenzeitlich versucht, einen Kompromiss mit den Aktivisten auszuhandeln. Ihrem Vorschlag nach sollten jene Laster die Sperre passieren dürfen, die nicht direkt für Shell fahren würden. Die Blockierer ließen sich auf diesen Vorschlag jedoch nicht ein.

Ein Demonstrant wurde abgeführt, dabei kam es kurzzeitig zu Auseinandersetzungen, die Polizei schubste einige Aktivisten aus dem Weg. „Wir sind friedlich, was seid ihr?“, riefen die Demonstranten. Ansonsten verlief der Protest laut Polizei ruhig. „Nach Gesprächen mit der Personengruppe löste diese freiwillig ihre Blockade auf“, hieß es am Nachmittag von der Polizei Rhein- Erft. Dennoch sei Anzeige wegen Nötigung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz erstattet worden. Die Beamten nahmen sechs Personen zur Personalienfeststellung mit auf die Wache, fünf davon durften danach wieder gehen. Ein Jugendlicher wurde dem Jugendamt übergeben.

Neben den Demonstranten versammelten sich auch weitere Unterstützer der Klimademos vor Ort. „Ich habe heute Morgen mitbekommen, dass hier eine Aktion stattfindet und finde es gut, dass Leute sich dazu äußern – und das deutschlandweit“, sagte Sven, der aus Aachen gekommen war und die Aktivisten mit Kaffee versorgte.

Kajaks blockieren den Hafen

Parallel zur Aktion am Shell-Werk fand in Godorf eine Kajak-Blockade der Aktivisten statt, durch die die Ein- und Ausfahrt von Schiffen zum Hafen gestoppt werden sollte. Mit acht Kajaks und einem quer über die Einfahrt gespannten Seil, an dem einer der Protestierenden hing, hatten die Aktivisten den Hafen besetzt. Die Kölner Polizei war mit Räumpersonal der technischen Einsatzeinheit vor Ort. Einem Sprecher zufolge war der Hafen gegen 13.30 Uhr geräumt. Es sei dabei nicht zu Konflikten gekommen.

Die Hafenzufahrt war stundenlang nicht passierbar: Vier bereits beladene Schiffe hätten den Hafen nicht verlassen, und mehrere Schiffe nicht einfahren können, sagte ein Sprecher der Häfen und Güterverkehr Köln (HGK).

Für die Demonstranten war die Aktion ein Erfolg. „Alle drei Blockadepunkte konnten blockiert werden, das ist für uns ein großer Erfolg“, sagte Aktivistin Ida. Erschüttert sei sie allerdings wegen des Vorgehens der Polizei, die „teilweise massiv und rabiat durchgegriffen“ habe. „Damit hat die Polizei leider bewiesen, dass sie die Interessen von Shell und des Kapitals schützt.“

Die Blockade der Aktivisten fand im Rahmen der bundesweiten Aktionsreihe „Aufstand mit Abstand - Klima retten, Kapitalismus überwinden“ statt. Daran beteiligt sind unterschiedliche Gruppierungen wie Ortsgruppen von Fridays for Future, Extinction Rebellion, der Interventionistischen Linken, Ende Gelände sowie lokale Antifa-Gruppen. „Mit den Aktionstagen wollen wir auf den Zusammenhang von Kapitalismus und Klimakrise hinweisen“, so die Aktivisten in einem Pressestatement.

Das Shell-Werk in Wesseling war in der Vergangenheit bereits mehrfach in die Kritik geraten. Zuletzt wurde im Juli öffentlich, dass etwa 450.000 Liter Gasöl über einen unbekannten Zeitraum durch eine alte Pipeline ins Erdreich gesickert waren. Das Shell-Werk, aber auch der Tüv-Rheinland wurden in der Folge aufgrund der mangelhaften Sicherheitskontrollen von Umweltverbänden und Experten kritisiert.

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