Besuch in der Wunderkammer In der Sammlerscheune in Gratzfeld wird Geschichte lebendig

Königswinter · Karl-Heinz Bluhm hat Arbeits- und Alltagsgegenstände aus zwei Jahrhunderten zusammengetragen. Der Sammler aus Leidenschaft hat eine Mischung aus Heimat- und Freilichtmuseum geschaffen.

 Sammler Karl-Heinz Bluhm ist stolz auf seine Oldtimer- Motorräder. Die Küche lässt die 50er Jahre lebendig werden.

Sammler Karl-Heinz Bluhm ist stolz auf seine Oldtimer- Motorräder. Die Küche lässt die 50er Jahre lebendig werden.

Foto: Frank Homann

Es ist alles da, was in eine gute Küche gehört: ein „Frizzi“-Früchteschneider, der gute Ofen­anzünder namens „Feuerhexe“, die obligatorische Maggidose und eine große Packung „Eibumin-Eiweiß“. Dazu eine stattliche Anzahl Porzellankannen, Geschirr, Töpfe und Kaffeemühlen. Karl-Heinz Bluhm hat die Wohnküche aus den 50er Jahren so detailgetreu und lebensecht in seiner „Sammlerscheune“ aufgebaut, dass man fast erwartet, gleich der fleißigen Hausfrau zu begegnen, die einst dort gewaltet hat.

Einen Raum weiter, in der Milchküche, haben alte Einmachgläser, gefüllt mit Pflaumen, Bohnen und anderem Obst und Gemüse, einen Platz gefunden: „Die sollten weggeworfen werden, aber ich finde, die sehen eigentlich noch ganz appetitlich aus“, erzählt Bluhm. Seine Sammlerleidenschaft hat der 80-jährige Königswinterer schon früh entwickelt: „Ich konnte noch nie etwas wegwerfen.“ Als irgendwann der Hobbyraum „überlief“, musste ein Ausweichquartier her. Es war ein Glücksfall, dass ihm ein Landwirt in Gratzfeld vor vielen Jahren anbot, die alte Scheune zu pachten. „Er zog sich dann mehr und mehr aus der Landwirtschaft zurück, und ich habe mich immer breiter gemacht“, sagt Bluhm und schmunzelt.

Besuch in der Welt der Großeltern

Sammlerscheune in Gratzfeld
18 Bilder

Sammlerscheune in Gratzfeld

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Heute ist seine Sammlerscheune eine einzigartige Mischung aus Freilicht- und Heimatmuseum, eine Wunderkammer vergangener Zeiten: Wer durch die knarzenden Holztüren tritt, findet sich in der Welt der Großeltern und Urgroßeltern wieder. Die unzähligen Sammlerstücke aus zwei Jahrhunderten Alltagsgeschichte hat Bluhm nicht nur nach Themen sortiert, sondern auch mit viel Liebe zum Detail originalgetreu in Szene gesetzt – ganz so, wie es früher einmal gewesen sein mag. So hängen in der Waschküche von damals noch die Wollschlüpfer an der Leine; und die Nähstube wartet unter anderem mit einer alten Bügeleisenkollektion, einer Schneiderniere zum Bügeln von Sakkos und einer Nylon-Reparaturmaschine auf. „Nylonstrümpfe waren anfangs ja so teuer, dass man sie nicht sofort weggeworfen hat, wenn ein Loch drin war, sondern sie wurden zur Reparatur gegeben.“

Gerade erst fertig geworden ist der Schulraum. An einem Pult sitzen ein Junge und ein Mädchen – zwei lebensgroße Kinderpuppen – und versuchen zu entziffern, was „Lehrer Welsch“ da an die Tafel geschrieben hat – die letzte alte Tafel der Grundschule in Eudenbach. Natürlich gibt es in der „Schule“ auch eine Sammlung alter Zeugnisse. Die Schränke voller Spielsachen lassen die Herzen kleiner und großer Kinder höher schlagen. So manch Erwachsener endeckt dort, womit er einst als kleiner Pimpf gespielt hat.

Bluhm sammelt auf Flohmärkten und beim Sperrmüll

Seine Sammlerstücke findet Bluhm hauptsächlich auf Trödelmärkten. Andere Schätzchen bringt er von Urlaubsreisen mit. Und so manches Fundstück bekommt er von Landwirten zur Verfügung gestellt, die ihre Scheunen ausmisten, oder von Menschen, die ihren Dachboden oder Keller entrümpeln. „Die Leute sehen, dass es bei mir nicht irgendwo rumliegt oder weiterverkauft wird.“ Der alte „Wang“-Computer aus dem Jahr 1975 zum Beispiel, der nicht nur ein stattliches Format, sondern mit 52.000 DM einen ebenso stattlichen Preis hatte, war dem Vorbesitzer zu schade für den Sperrmüll. Ebenfalls nur knapp der Müllabfuhr entronnen ist „die Schwester von de Doof Nuss“ – so genannt wegen des Hütchens, das auch der bekannte Büttenredner trug. Sie lag bereits im Sperrmüll. Bluhm fuhr zufällig vorbei und „konnte das nicht mit ansehen“. Jetzt sitzt die Gipsfigur am Eingang in einem Ziegenkarren.

Auch eine stattliche Anzahl an landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten hat Bluhm zusammengetragen. Der alte Kastenwagen, der zum Leiterwagen umgebaut werden kann, ist zum Beispiel schon über 200 Jahre alt. Da ein solches Fuhrwerk früher von einer Kuh gezogen wurde, musste also auch ein entsprechendes Rindvieh her – nicht unbedingt ein lebendes, aber eines in Originalgröße. Im Internet wurde Bluhm fündig und fuhr bis nach Bielefeld, um das Kunststofftier abzuholen. Nun steht die Kuh zwar vor dem Wagen, doch zufrieden ist Bluhm noch nicht: „Da kommt noch richtig Zaumzeug dran. Und dann muss ich noch jemanden finden, der eine Kuh richtig einspannen kann.“ Schließlich soll ja alles originalgetreu sein.

Ein Hochrad fehlt noch in der Sammlung

Woher weiß er, welches Werkzeug wohin gehört, was man damit macht und wie es funktioniert? „Ich habe mir viel erklären lassen, von Landwirten zum Beispiel.“ Viel hat er auch bei Besuchen in Museen, aus Filmen oder Büchern erfahren. Was die alten Loren in der Bergbauecke angeht, ist Bluhm selbst Fachmann. „Ich bin gelernter Bergmann.“

Bluhm ist stolz auf seine Sammlerscheune: „So eine Vielseitigkeit wie hier – ich wüsste nicht, wo man die sonst noch findet.“ Tatsächlich gibt es dort nichts, was es nicht gibt: einen Friseursalon mit allem Drum und Dran, Schusterei, Sattlerei, Weinstube und Schreinerei, ein altes Postamt mit Briefwaage und Stempelkissen, dazu Radios, Fotoapparate, Telefone, Fahrräder, Motorräder und viel mehr. Von morgens bis abends werkelt der Königswinterer auf seinem Museumsgelände – bis irgendwann alles so ist, „wie ich mir das vorstelle“. Ein Hochrad hätte er zum Beispiel noch gerne für seine Sammlung: „Da bin ich noch hinterher.“

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