Verband legt Berufung gegen Urteil ein Dünger aus Unkeler Kläranlage darf nicht genutzt werden

Unkel/Linz · Karbonisat, das durch ein spezielles Verfahren in einer Klärschlammanlage etwa in Unkel produziert wird, darf in Deutschland nicht als Dünger eingesetzt werden. Das hat das Verwaltungsgericht Koblenz entschieden und damit eine Klage des Zweckverbandes Unkel-Linz abgewiesen. Die Verbandsgemeinden Linz und Unkel hatten die Anlage für mehr als zweieinhalb Millionen Euro bauen lassen.

 Aus dieser ungeklärten Brühe entsteht in einem aufwendigen Verfahren in der Unkeler Kläranlage Düngemittel. Allerdings darf dieses Produkt nach Auffassung der Richter am Koblenzer Verwaltungsgericht nicht verkauft werden.

Aus dieser ungeklärten Brühe entsteht in einem aufwendigen Verfahren in der Unkeler Kläranlage Düngemittel. Allerdings darf dieses Produkt nach Auffassung der Richter am Koblenzer Verwaltungsgericht nicht verkauft werden.

Foto: Frank Homann

Hat der interkommunale Zweckverband Abwasserbeseitigung Linz-Unkel 2,1 Millionen Euro in den Sand gesetzt? Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz lässt diesen Rückschluss zu. Denn: Die 2015 fertiggestellte Anlage im Unkeler Klärwerk zur Umwandlung von Klärschlamm in Dünger produziert ein Produkt, das nach Auffassung der Koblenzer Richter in Deutschland gar nicht genutzt werden darf. Gegen diese Entscheidung vom 25. November, die einen Tag vor Weihnachten vom Gericht kommuniziert wurde, hat der Zweckverband jetzt Berufung eingelegt. 

In einer Broschüre des Verbandes, der mit der Beseitigung des Abwassers in den beiden Verbandsgemeinden Linz und Unkel betraut ist, und des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung aus dem Jahr 2014 sieht Hans-Günter Fischer, Vorsitzender des Zweckverbandes Abwasserbeseitigung Linz-Unkel und Bürgermeister der Verbandsgemeinde Linz, das neue Verfahren noch als „innovatives Projekt“, mit dem „wir das Tor in eine neue Ära aufstoßen. Ich bin überzeugt, dass viele weitere Kommunen in Deutschland unserem Beispiel folgen werden“, so Fischer. Konkret geht es bei dem Verfahren darum, dass der anfallende Klärschlamm so aufbereitet wird, dass der darin enthaltene Phosphor technisch aufbereitet und zur Düngung an die Landwirtschaft weitergegeben werden kann. 

 Bei der Einweihung der neuen Anlage 2015 gingen Ulrich Kleeman (von links), Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, die Bürgermeister Hans-Günter Fischer und Karsten Fehr sowie Werksleiterin Dagmar Stirba davon aus, dass die neue Anlage eine Innovation darstellt. 

Bei der Einweihung der neuen Anlage 2015 gingen Ulrich Kleeman (von links), Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, die Bürgermeister Hans-Günter Fischer und Karsten Fehr sowie Werksleiterin Dagmar Stirba davon aus, dass die neue Anlage eine Innovation darstellt. 

Foto: Frank Homann

Die Richter am Koblenzer Verwaltungsgericht sahen das allerdings anders. Der Zweckverband wollte per Klage erreichen, dass der Klärschlamm als Dünger zugelassen wird. Aber: Karbonisat, das in der Unkeler Klärschlammanlage am Rheinbreitbacher Bahndamm durch ein Pyrolyseverfahren erzeugt wird, darf in Deutschland nicht als Düngemittel verwertet werden, entschieden die Richter. „Die beabsichtigte Verwertung stelle keinen ordnungsgemäßen Entsorgungsweg dar“, so die Richter in ihrer Begründung. Heißt: Der entstehende Klärschlammrest muss entsorgt werden. Den Hinweis des Linz-Unkeler Zweckverbandes, dass Karbonisat etwa im europäischen Nachbarland Schweden ohne Zulassung als Düngemittel in den Handel gebracht werden dürfe und dies unter Anwendung des europarechtlichen Prinzips der gegenseitigen Anerkennung auch in Deutschland möglich sein müsse, lehnte die Kammer ab. Dieses europarechtliche Prinzip sei auf die vorliegende Herstellung und den Vertrieb inländischer Waren nicht anwendbar, urteilte das Verwaltungsgericht. 

Wie aus dem Urteilstext der Koblenzer Richter hervorgeht, lieferte der Zweckverband Anfang 2019 eine Tonne seines Karbonisats nach Schweden. Und: Wie aus der richterlichen Entscheidung ebenfalls zu lesen ist, hatte das Unternehmen aus dem Hunsrück, welches die Maschine im Auftrag des Zweckverbandes gebaut hat, bereits im September 2016 beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einen Antrag auf Zulassung von Karbonisat als Düngemittel in Deutschland gestellt. Diese ist allerdings nach der Ablehnung durch den Wissenschaftlichen Beirats für Düngungsfragen vom Bundesministerium Ende Juni 2018 ebenfalls abgelehnt worden.

Hans-Günter Fischer kann das Urteil aus Koblenz nicht nachvollziehen. Der Linzer Verwaltungschef sagte, dass „wir selbstverständlich den Richterspruch respektieren, aber in Berufung gehen werden“. Faktisch bedeute dieses Urteil, dass „Ökologie und Ökonomie gleichermaßen auf der Müllhalde“ landeten, so Fischer weiter. Der CDU-Politiker forderte, dass sowohl die Gesetzgeber von Bund und Ländern als auch die Gerichte „endlich dafür sorgen müssen“, dass moderne Verfahren wie in der Abwassereinigungs-Anlage Linz-Unkel auch wirtschaftlich realisiert werden könnten.

Fischer bezeichnete es als einen „Anachronismus, dass ein Dünger, obwohl er die zulässigen Grenzwerte der Düngemittel-Verordnung einhält, als solcher nicht genutzt werden darf“. Karbonisat sei durch das angewendete Verfahren deutlich weniger belastet als etwa der Klärschlamm in seiner Ausgangsform, der hingegen auf die Felder verbracht werden dürfe. Dieser Anachronismus zeuge von einem „Verständnis aus dem letzten Jahrhundert“.

Verbandsvorsitzender Fischer nennt Urteil einen „Skandal“

Karbonisat, so Fischer, dürfe als Dünger „nicht diskriminiert“ werden. Der Vorsitzende des Zweckverbandes erinnerte an die breite Unterstützung für das Projekt. Diese „sehr innovative Idee“ sei von den Umweltministerien in Rheinland-Pfalz und im Bund sowie fachlich durch das Umweltbundesamt unterstützt und gefördert worden. Zudem seien sämtliche Verfahren, Prozesse und Technik transparent dargestellt worden. Er bedauerte, dass ein politisch mit höchster Priorität gefördertes Verfahren „kaputtgemacht wird“. Fischer weiter: „Stoffkreislauf, Klimaschutz und Nachhaltigkeit bleiben auf der Strecke. Das ist ein Skandal.“ Denn dem politisch gewünschten Weg zu mehr Klimaschutz werde damit „ein Bärendienst erwiesen“, so der Linzer Bürgermeister.

Zur Erinnerung: In der genannten Broschüre des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung aus dem Jahr 2014 war das Klärwerk des Zweckverbandes Abwasserbeseitigung Linz-Unkel für seine „Ökoeffizienz in der Wasserwirtschaft“ noch anno 2014 als Paradebeispiel für eine „Umstellung auf Schlammfaulung“ im Land angeführt worden – ein Exempel für die immerhin damals 670 Kläranlagen im Land. Wann die Richter des Oberverwaltungsgerichts über die Zulassung der Berufung befinden, ist noch unklar.

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