Prozessbeginn in Bonn Teppichhändlerbande soll Senioren um Zehntausende Euro betrogen haben

Sankt Augustin/Bonn · Fünf Männer müssen sich seit diesem Dienstag vor dem Bonner Landgericht verantworten, weil sie unter anderem Senioren in Sankt Augustin um Zehntausende Euro betrogen haben sollen. Im Mittelpunkt der Taten standen Teppiche.

Eine mutmaßliche Teppichhändlerbande soll Senioren mit verschiedenen Tricks hereingelegt haben. Nun stehen die Männer in Bonn vor Gericht. (Symbolfoto)

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Vor drei Monaten waren die Anklagebänke im größten Bonner Gerichtsaal gegen eine mutmaßliche Teppichhändlerbande fast leer: Allein drei Angeklagte – ein Vater (72) und seine beiden Söhne (33 und 36) – hatten Corona, das Familienoberhaupt brauchte Monate, um wieder auf die Beine zu kommen. Nun erschienen am Dienstag alle fünf Angeklagte – aus dem Rhein-Erft-Kreis und Frankfurt am Main angereist – zum Prozessstart vor der 1. Großen Strafkammer, flankiert von neun Verteidigern. Dem Quintett wird banden- und gewerbsmäßiger Betrug in sieben Fällen vorgeworfen. Zwischen April 2018 und März 2020 sollen sie in verschiedenen Besetzungen bundesweit vor allem Senioren mit verschiedenen Tricks hereingelegt haben. Die Söhne, ihr Vater sowie ein 51-jähriger Mitangeklagter aus Frankfurt haben in der Verhandlung Geständnisse angekündigt, und zwar für den nächsten Prozesstag. Ein Fünfter, der dauerhaft an einem Dialysegerät hängt, will sich schweigend verteidigen. Wegen seines Handicaps darf am Tag nur vier Stunden verhandelt werden.

Die Masche bei den Betrügereien war laut Anklage immer ähnlich. In fast allen Fällen hatten Bandenmitglieder, die sich als Teppichhändler vorstellten, den gezielt ausgewählten Opfern zunächst angeboten, ihre wertvolle Knüpfware zu reinigen. Als sie das Vertrauen erschlichen hatten, schlugen sie vor, ihre Teppiche in Kommission zu nehmen, um sie zu verkaufen oder bei einer Auktion zu versteigern. Die Geschädigten sahen ihre Schätze zumeist nicht mehr wieder. Der Schaden allein der angeklagten Betrügereien wird mit 230.000 Euro angegeben.

Männer berichten vor Gericht von moralischer Kehrtwende

Ein Ehepaar aus Sankt Augustin hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Im Mai 2019 hatten die 82-Jährigen den Angeklagten vertrauensvoll einen wertvollen Herike, einen handgeknüpften Orientteppich, im Wert von 45.000 Euro zum Verkauf überlassen. Angeblich gab es für das Unikat Interessenten in der Schweiz, aber der Teppich verschwand für immer. Weitere Geschädigte hatten sich bald aus dem gesamten Bundesgebiet gemeldet, unter anderem aus dem Rhein-Erft-Kreis, Westerwald, südlichen Rheinland-Pfalz und aus Hessen. Im Oktober 2020 kam es zu einer Razzia, durch die der Bande – ursprünglich wurde gegen 20 Mitglieder ermittelt – das Handwerk gelegt wurde. Einige der Mitglieder kamen in Untersuchungshaft.

Die beiden Söhne, die als Initiatoren der Beutezüge gelten, berichteten am Dienstag von ihrer moralischen Kehrtwende: von einem Leben mit Drogen, Glücksspiel und Alkohol zu einem christlichen Leben. „Ich habe versucht, einen Sinn zu finden“, erklärte der Jüngere, der sich mittlerweile in einer Kölner Gemeinde für Obdachlose engagiert. Der Ältere berichtete aus seiner Biografie: „Ich habe in meinem ganzen Leben nie daran gedacht, zu arbeiten. Das spielte bei uns keine Rolle.“ Seit acht Monaten hat der Familienvater erstmals einen Job. Er arbeitet als Getränkefahrer. Er sagt: „Ich bin richtig glücklich, jeden Tag zu arbeiten. Ich habe etwas getan, habe Geld, ohne jemandem zu schaden.“