Friedensdemo in Meckenheim 400 Meckenheimer zeigen Solidarität mit der Ukraine

Meckenheim · Es war starkes Zeichen für den Frieden in Europa und der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, das mehr als 400 Meckenheimer am Mittwochabend auf dem Vorplatz des Rathauses setzten. Bürgermeister Holger Jung forderte Russen auf, viele Informationsquellen zu nutzen, und appellierte an alle, russische Mitbürger nicht in Sippenhaft zu nehmen und auszugrenzen.

 Mehr als 400 Meckenheimer demonstrierten vor dem Rathaus für Frieden in der Ukraine.

Mehr als 400 Meckenheimer demonstrierten vor dem Rathaus für Frieden in der Ukraine.

Foto: Axel Vogel

Der Meckenheimer Bürgermeister Holger Jung hatte zu der Kundgebung für Frieden in Europa und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine aufgerufen. Und Jung setzte mit seiner packenden und emotionalen Rede, die an Deutlichkeit in Richtung russischer Führung und an präziser Analyse der politischen Lage nichts zu wünschen übrig ließ, vor den gut 400 Teilnehmern auf dem Rathausplatz ein unüberhörbares Zeichen. Darunter waren auch viele Kinder und Jugendliche, die weiße Friedenstauben auf Plakate gemalt hatten und Fähnchen in den Farben der Ukraine schwenkten. „Frieden“, „Demokratie“ und „Gerechtigkeit“ war auf Plakaten zu lesen.

Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg

Jung sah von seinem Rednerpult ein buntes Bild der Meckenheimer Stadtgesellschaft: alt und jung, aus unterschiedlichen Herkunftsländern und von unterschiedlicher Konfession. Sie alle einte der Wunsch nach Frieden in Europa. Besonders sprach er die Älteren an, die sich noch an den Zweiten Weltkrieg mit Tod, Flucht und Vertreibung erinnern konnten und die Jugend, die in Frieden und Freiheit aufwuchs und jetzt erstmals mit einem Krieg in Europa konfrontiert wird. „Ihr demonstriert heute in eurer Heimatstadt für den Frieden. Das ist ein tolles Zeichen“, dankte er den Jugendlichen. Stellvertretend begrüßte er Schülerinnen und Schüler des Konrad-Adenauer-Gymnasiums, die später Texte zum Thema Krieg und Frieden vortrugen.

Jung sah Parallelen zwischen dem russischen Angriff auf die Ukraine und dem deutschen Angriff auf Polen 1939. Damals sei laut Nazi-Propaganda „zurückgeschossen“ worden, heute bezeichne die russische Führung den Überfall als Verteidigungsschlag. Sogar das Wort „Entnazifizierung“ der Ukraine sei gefallen. „Das macht mich fassungslos“, sagte Jung.

Keine Sippenhaft für russische Bürger

Er erinnerte an den Angriff der Alliierten 1945 auf Meckenheim, der 250 Menschen das Leben kostete: „An die Opfer von damals denken wir in diesen Tagen vielleicht noch intensiver als in den vergangenen Jahren. Auch aufgrund dieser Vergangenheit treffen uns hier in Meckenheim die Bilder aus der Ukraine von Raketeneinschlägen in Wohnhäuser und verzweifelten Menschen auf den Straßen und auf der Flucht besonders ins Mark.“   

Jung kritisierte die Zensur der Medien durch den russischen Staat. Auch das eigene Volk müsse Angst vor Repressalien haben, wenn es gegen die Invasion auf die Straße gehe. Und direkt an Putin gerichtet: „Haben Sie Angst vor der Wahrheit? Haben Sie Angst, dass Ihr Volk durch eine freie Berichterstattung die Wahrheit über den Krieg erfährt?“

Jung appellierte an die Bürger seiner Stadt, auch an diejenigen, die aus Russland stammen, sich nicht einseitig über den Krieg zu informieren, sondern viele Quellen zu nutzen und sich offen für Frieden einzusetzen. Und er appellierte, nicht alle Russen für den Krieg verantwortlich zu machen und in Sippenhaft zu nehmen. Denn Kriegstreiber sei die staatliche Führung. Leider würden Kinder russischer Herkunft in Schulen teilweise ausgegrenzt oder beschimpft. „Das dürfen wir nicht zulassen. Die Gabe, hier deutlich zu unterscheiden, sollte uns allen gegeben sein.“

Freien Wohnraum melden

Meckenheim bereite sich intensiv auf die Ankunft vieler Flüchtlinge vor. Jung bat darum, der Stadt freie Wohnungen oder Zimmer zu melden. Lobend erwähnte er die Initiative „Meckenheim hilft“, die vergangene Woche einen Hilfskonvoi in die Ukraine gesteuert hatte.

Jung abschließend: „Wir stehen heute hier in Meckenheim vor dem Rathaus, um unsere ungeteilte Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck zu bringen. Wir unterstützen die ukrainische Regierung und das gesamte Volk in ihrem Verteidigungs- und Freiheitskampf.“ An Putin richtete er den Appell, die Waffen ruhen und wieder Vernunft einkehren zu lassen.

Olga Kulagin schilderte eindrücklich ihre zwei Leben: vor und nach dem Kriegsbeginn am 24. Februar. Ihre Familie lebt noch in Kiew. „Ich hoffe, dass sie noch leben. Wir haben keinen Kontakt mehr.“ Immer wieder kämpfte die junge Frau mit den Tränen. Viele Ukrainer und Russen seien untereinander befreundet. Deshalb verstehe niemand den Krieg. „Nichts kann einen Krieg rechtfertigen.“

Olexandra Kovalova trat umhüllt von einer ukrainischen Flagge ans Rednerpult. Sie ist erst ein paar Tage in Deutschland und berichtete von zerbombten Städten, in denen es kein Wasser, kein Licht und keine Heizung mehr gibt. Dafür viele Tote, darunter auch Kinder. „Wir sind das Schutzschild für Europa, unsere Soldaten schützen auch die Bürger hier“, sagte sie. Die Ukraine sei ein friedliches Land mit eigener Kultur. Aber jetzt benötige dieses Land Hilfe, auch militärische.

Zum Schluss zündeten die Teilnehmer Kerzen und Taschenlampen an: Ein leuchtendes Zeichen der Hoffnung in der Dunkelheit des Krieges.

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