Bröckelndes Brauchtum in Wachtberg Ließemer Schützenbruderschaft wird abgewickelt

Wachtberg-Ließem · Die Corona-Pandemie und der Umbau der Kita haben der Ließemer Schützenbruderschaft den letzten Rest gegeben. Sie lösen sich auf. Die letzten Aktiven wollen nun bei Nachbarvereinen unterkommen.

 Andreas Körfer, Brudermeister der Sebastianus-Schützen Ließem, hat den Verein ruhend gestellt.

Andreas Körfer, Brudermeister der Sebastianus-Schützen Ließem, hat den Verein ruhend gestellt.

Foto: Axel Vogel

Die historischen Schützenbruderschaften gehörten mit ihren Schützenfesten, Umzügen sozialem Engagement lange Zeit auch im Drachenfelser Ländchen zu den Kernzellen des dörflichen Lebens. Getreu derem Leitsatz „Glaube, Sitte, Heimat“. Oftmals galt es sogar als Ehre, die grüne Uniform der jeweiligen Schützenbruderschaft tragen zu dürfen. Das war auch bei der Sankt-Sebastianus-Schützenbruderschaft Ließem einmal so, die es seit 1959 gibt.

Wie gesagt, das war einmal. Denn für eine Mitgliedschaft lässt sich kaum noch Nachwuchs begeistern, sagt Brudermeister Andreas Körfer. Zudem sieht er auch das Interesse im Ort am Schützen-Brauchtum heute eher marginal ausgeprägt.

Darüber hatte der Ließemer Brudermeister bereits auf der jüngsten Sitzung des Ortsausschusses Klage geführt (der GA berichtete). Zudem hatte der Verein in den letzten Jahren auch noch unter zusätzlichen Erschwernisse wie der Corona-Krise und der Sanierung der evangelischen Kita zu leiden, die seit Jahren Teile des Schützenplatzes als Ausweichfläche in Anspruch nimmt. Daher folgt jetzt aus seiner Sicht eine fast schon logische Konsequenz: Körfer hat die Schutzenbruderschaft im zuständigen Verband als ruhend gestellt. Aber der Plan ist weitergehend: „Eigentlich wollen wir den Verein abwickeln“, sagt er.

Als Körfer, der seit 2019 dieses Amt inne hat, vor 14 Jahren mit dem Schießen bei der Bruderschaft anfing, gab es noch ein „gemischtes Vereinsleben“. Konkret: „Diverse ältere Aktive, aber auch eine kleine Gruppe jüngerer Familien, die am Start waren“, erinnert er sich. Auf etwa 15 schätze er den harten Kern, der auf Schützenfesten ebenso mit unterwegs war wie beispielsweise bei der Vorbereitung der Feste und Instandsetzungen mit angepackt hat. Und wie viele sind es heute? „Aktiv sind es noch vier bis sechs“, braucht der Brudermeister nicht lange zu überlegen.

Dass sei auch der Tatsache geschuldet, dass viele ältere Aktive mittlerweile gestorben seien. Viel schwerer wiegt allerdings aus Sicht des 57-Jährigen, „dass sich neue Mitglieder für den Schützensport kaum begeistern lassen“. Insbesondere Jugendliche sind auch in Ließem Mangelware. Dabei geht es insbesondere um Nachwuchs für die historischen Schützen, die also zudem auch noch Brauchtumspflege betreiben.

Bezeichnend ist eine vergleichsweise junge Familie, Vater Mitte 40 Jahre, die Mitglied bei den Ließemer Schützen ist, aber ausdrücklich nur Sportschießen will. Anders formuliert: Brauchtum „nein Danke“. Wie es um die Wertschätzung des Brauchtums steht, zeigte Körfer auch der Bezirksschützentag 2019, der vor Ausbruch der Coronakrise stattfand: Beim traditionellen Umzug bei diesem aus Schützensicht Großereignis in der Region standen einen Handvoll Passanten: „Das war schon ernüchternd“, so der Brudermeister.

Stichwort Coronakrise: Die hatte mit ihren Verboten und Hygieneauflagen dem ohnehin schon stark reduziertem Vereinsleben ebenfalls zugesetzt. Ein letzter Punkt, der dann den Ausschlag zur geplanten Abwicklung des Vereins gab, war die Sanierung der unmittelbar angrenzenden evangelischen Kita: Denn die musste vor rund einem Jahr in einem Containerbau ausweichen, der auf dem Schützenplatz entstand: „Der ist erst seit zwei Wochen wieder so hergerichtet worden, dass der für uns befahr ist“, so Körfer.

Trotzdem nicht aufs Schießen verzichten

Doch trotz der geplanten Abwicklung der Ließemer Bruderschaft, die ihren Vereinssitz auf einer gepachteten Immobilie hat, wollen dort die letzten Aktiven um Körfer zukünftig keineswegs auf ihren Sport verzichten. Denn der Plan ist: „Man muss sich einfach die Frage stellen, ob sinnvoll ist, verzweifelt einen Verein aufrechtzuerhalten, oder ob man nicht lieber die Aktivitäten auf einen Nachbarverein verlagert.“ Genau das haben die Ließemer Schützen nämlich vor: „Schließlich haben wir befreundete Vereine in Niederbachem und Lannesdorf, die sich vielleicht über Zuwachs freuen würden.“

„Wir würden sehr gerne neue Mitglieder aus der Ließemer Bruderschaft begrüßen“, sagt dazu Wilhelm Ippendorf, Ehrenbrudermeister der benachbarten Sankt-Sebastianus-Bruderschaft. Zumal der Verein dort auch über eine hochmoderne Schießanlage verfüge. Die mag auch einer der Gründe dafür sein, warum die Niederbachemer Schützen Nachwuchs haben: „Wir haben rund acht Neuzugänge in der Jugend“, freut sich Ippendorf. Insgesamt zählt seine Bruderschaft immerhin noch 120 Mitglieder.

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