Bonner bieten Unterkünfte Flutopfer kommen im Königshof in Bonn unter

Bonn · Auch Bonner Hotels dienen als Quartiere für die Flutopfer aus der Region. Zum Beispiel das Hotel Königshof. Die Stadt vermittelt bislang 180 Menschen, und vieles läuft über private Kontakte.

 Senioren aus Bad Neuenahr sind zurzeit im Hotel Königshof einquartiert.

Senioren aus Bad Neuenahr sind zurzeit im Hotel Königshof einquartiert.

Foto: Rüdiger Franz

Der Rheinblick wird in diesen Tagen nicht unbedingt jeden beruhigen, der gerade nur knapp einer Jahrhundertflut entronnen ist. Den 40 Bewohnern einer Seniorenresidenz im Kurviertel von Bad Neuenahr, die derzeit im Ameron Hotel Königshof zwischen Hofgarten und Uferpromenade untergebracht sind, sind der nachwirkende Schock und die Erleichterung jedenfalls gleichermaßen anzumerken. Auch wenn sie zweifellos eines der komfortableren Notquartiere vorgefunden haben: Sie sind erst einmal froh, ihr Leben gerettet zu haben. Im Hotel hat man sich auf die unverhofften Gäste inzwischen eingerichtet.

Pflegepersonal schaut vorbei

„Der Betreiber der Residenz hat uns direkt kontaktiert, und wir haben zugesehen, was wir auf die Schnelle organisieren können“, sagt die stellvertretende Hoteldirektorin Sandra Simon. Bettlägerig sei keiner der Gäste. Dass viele der Senioren jedoch an den Rollator gewöhnt sind, fällt schon beim Blick in die Hotellobby auf. Davor entsteigen in diesem Moment mehrere Personen einem Kleinwagen mit AW-Kennzeichen: Das Neuenahrer Pflegepersonal schaut mehrfach am Tag bei den Bewohnern vorbei und prüft, ob alles in Ordnung ist. Ein praktisches Problem besteht zum Beispiel darin, dass viele der Senioren regelmäßig Medikamente benötigen. An deren Vorrat ist derzeit aber nicht heranzukommen – wenn es ihn überhaupt noch gibt. Also muss das Pflegepersonal die Arzneimittel anderweitig beschaffen und zu den Menschen an die Bonner Adenauerallee bringen.

„Wir sind im Hotelfach ausgebildet und natürlich nicht in der Pflege und können nur das tun, was wir uns auch zutrauen“, erklärt Sandra Simon. Sie und ihre Kollegen haben angesichts der Sondersituation das Personal aufgestockt und Räume zu Speisesälen umfunktioniert. „Nach den ersten Tagen fügt es sich inzwischen gut in unseren Alltag ein. Dennoch bleibt es für alle eine Ausnahmesituation. Wir helfen, wo wir können“, so Simon.

Wer im Erdgeschoss wohnte, hat alles verloren

Die Hilfsbedürftigkeit ist unter den Bewohnern unterschiedlich ausgeprägt. Wer das Pech hatte, im Erdgeschoss zu wohnen, hat alles verloren – so wie jene ältere Dame, die nur im Schlafanzug und mit Pantoffeln in Bonn ankam, ohne Hausstand und ohne Papiere. Auch die anderen berichten von schlimmen Szenen, die sich am Mittwochabend in dem Heim für betreutes Wohnen mit seinen 180 Plätzen abspielten. In einigen Erdgeschosszimmern habe das Wasser bis zur Decke gestanden. „Dann ist plötzlich das Licht ausgefallen und es war dunkel. Wir haben Kerzen angezündet. Wer noch irgendwie helfen konnte, hat geholfen. Wir können einfach nur froh sein, dass wir alle lebend herausgekommen sind“, erzählt Bruno Schorn. Gemeinsam mit seiner fünf Jahre jüngeren Frau Christa lebte der 85-Jährige in einer Wohnung im ersten Stock des Wohnkomplexes.

Wie aufregend die Evakuierung für die Menschen im Haus war, veranschaulicht er anhand weiterer Fakten: So seien zum Zeitpunkt der Katastrophe nur eine Handvoll Betreuer im Haus gewesen. Andere hätten zwar alles Menschenmögliche versucht, zur Hilfe zu eilen – zunächst jedoch vergeblich, bis das Wasser etwas abgeflossen war. Und dann war da noch das Gerücht, dass sich dem Städtchen eine weitere Welle nähere. „Alle sind in Panik hoch in den dritten und vierten Stock“, so Schorn. Schließlich aber fand sich die Gruppe unversehrt in einem Bus wieder, womit die Aufregung noch nicht beendet war. Grund war die Fehlinformation, dass man in Ahrweiler über den Fluss komme. „Tatsächlich stand dort die Brücke noch. Aber wegen des Wassers auf den Straßen kam man nicht hinauf“, berichtet Bruno Schorn.

Auf Umwegen über Ramersbach und Königsfeld gelangte man schließlich um halb neun am Abend nach Bonn. Rheinische Gelassenheit pflegte unterdessen offenbar der Busfahrer, der seine Fahrgäste auf die Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke aufmerksam gemacht habe. Vielleicht wollte er die älteren Herrschaften auch nur beruhigen. Das war definitiv die Aufgabe der Seelsorger, die ihnen zur Seite gestellt worden sind. Auch sonst ist ihr Notquartier zweifellos komfortabler als manch anderes Obdach. So richtig genießen kann Hühnchen an Spinat und Nudeln mit Crème Brûlée allerdings niemand.

Martinshörner in der Stadt zu hören

„Anfang der Woche sollen Statiker kommen, um das unterspülte Gebäude abzusichern. Danach wissen wir vielleicht wenigstens, wann wir unsere Sachen herausholen können“, erzählt ein Bewohner. Wann das Wohnheim wieder betriebsfähig sei, stehe in den Sternen, zumal wegen der fehlenden Ahrbrücken die Innenstadt nicht mehr erreichbar ist. Das bedeutet: Der Weg zu Geschäften, Ärzten und Apotheken ist abgeschnitten. Bewohner, die ein Auto besaßen, haben nun keines mehr. „Mein Wagen dürfte jetzt wohl in Köln angekommen sein“, habe heute ein Mitbewohner gesagt, berichtet Bruno Schorn schmunzelnd. Wenigstens ihnen ist der Humor nicht verloren gegangen.

Während der Rhein die Promenadenstraße unter dem Königshof inzwischen wieder freigegeben hat, sind im Hintergrund weiter Martinshörner in der Stadt zu hören. Ziel vieler Krankenwagen bleibt am gesamten Wochenende die Universitätsklinik (UKB) auf dem Venusberg. Seit Freitag kämen vor allem Patienten in Bonn an, die unter anderem in Häusern eingeschlossen waren, zum Teil verletzt und in einem schlechten Allgemeinzustand seien, berichtete UKB-Sprecherin Elke Pfeifer. Viele hätten zu wenig getrunken oder gegessen. Doch nicht nur in Hotels wie dem Königshof oder auch dem Ambiente sind Flutopfer untergekommen. 180 Menschen habe die Stadt bislang vermitteln können, teilt die Verwaltung am Samstagabend mit. Nicht eingerechnet sind folglich all jene, die über private Kontakte Menschen bei sich aufgenommen haben.

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