Kommunalwahl am 13. September Das sind die Landratskandidaten im Rhein-Sieg-Kreis

Rhein-Sieg-Kreis · Fünf Politiker bewerben sich zur Kommunalwahl am 13. September um das Amt als Rhein-Sieg-Landrat. Alle Kandidaten sehen bezahlbaren Wohnraum, Radwege und die Digitalisierung des ländlichen Raums als Herausforderung.

Die Landratskandidaten im Rhein-Sieg-Kreis wollen ins Kreishaus.

Die Landratskandidaten im Rhein-Sieg-Kreis wollen ins Kreishaus.

Foto: Meike Böschemeyer/MEIKE BOESCHEMEYER

Amtsinhaber Sebastian Schuster (CDU) ist seit sechs Jahren Chef im Kreishaus. Sein Herausforderer Denis Waldästl (SPD) ist 33 Jahre alt und möchte Zukunftsthemen voranbringen. Für die FDP geht Christian Koch ins Rennen bei der Kommunalwahl 2020 im Rhein-Sieg-Kreis, für die Linken Michael Otter und für die Piraten Wolfgang Roth.

Sebastian Schuster (CDU)

■ Der Kandidat: Sebastian Schuster ist ein lockerer Typ. Für Krawatten empfindet er keine Leidenschaft, und wenn er eine Rede hält, weicht er gern launig vom Manuskript ab. Der amtierende Landrat des Rhein-Sieg-Kreises gilt als Kumpeltyp. Und doch: In Krisensituationen schaltet er um und widmet sich seiner Aufgabe. In den sechs Jahren seiner Amtszeit kam es zweimal dicke. Zuerst die Flüchtlingskrise und jetzt Corona. Seine Wandlungsfähigkeit hat Schuster 2014 in das höchste politische Amt des Kreises gebracht. Es ist vielleicht nicht sein tiefenscharfer Blick in die Strukturen der Verwaltung, sondern sein Talent für Kommunikation, das ihn auszeichnet. Das unterscheidet den Königswinterer Juristen von seinem Vorgänger Frithjof Kühn, der durch und durch Verwaltungsmann war.

Schuster machte sich einen Namen bei der Aufarbeitung des Müllskandals. Eine stetige Herausforderung ist es, die Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern der 19 Kreiskommunen zu koordinieren. Zwei Mal gab es Zank. Einmal, als er den Städten und Gemeinden die Ausweitung der Ordnungsamtsaufgaben zumuten musste und bei der Aufgabenverteilung zur Bewältigung der Coronakrise. Ansonsten kaum Nebengeräusche. „Luft nach oben“, wie er sagt, sieht Schuster bei der Zusammenarbeit mit Bonn. Bei den Verkehrsthemen Radwege und Nahverkehr könnte es besser sein. Ein Gebot für die nächsten fünf Jahre.

 Amtsinhaber Landrat Sebastian Schuster (CDU).

Amtsinhaber Landrat Sebastian Schuster (CDU).

Foto: Meike Böschemeyer/MEIKE BOESCHEMEYER

 Welches sind die drei dringlichsten Themen im Rhein-Sieg-Kreis und warum?

„Das Wichtigste ist bezahlbarer Wohnraum. Wir wollen bis 2030 rund 30 000 Wohnungen bauen. Wir sind eine attraktive Zuzugsregion mit guten Hochschulen und modernen Institutionen. Wir müssen die Kommunen in die Lage versetzen, schnell Bauland auszuweisen. Ebenfalls auf der Agenda stehen Mobilität und Klimawandel. Das ist ein Puzzle mit tausend Teilen. Wir müssen die Fahrradstrecken attraktiver machen, wir brauchen flexible Arbeitszeiten und Möglichkeiten für Homeoffice. Wir unterstützen den Breitbandausbau im Kreis. Im dritten Quartal 2021 sind wir so weit, dass 95 Prozent des Kreises mit 50 Mbit angeschlossen sind. Und danach werden wir auch die restlichen weißen Flecken noch anbinden. Vor allem im östlichen Kreis wollen wir neuen Wohnraum erschließen.“

■ Auf welchen Erfolg würden Sie in fünf Jahren gerne zurückblicken?

„Es wäre schön, wenn wir dann sagen könnten: Wir haben schon mal 15 000 bezahlbare Wohnungen geschaffen. Und es wäre gut, wenn die Projekte der Regionale 2025 erfolgreich in Gang gesetzt sind. Ich halte in diesem Zusammenhang die angedachte zusätzliche Rheinquerung von Niederkassel nach Wesseling für unverzichtbar. Wir haben da eine günstige Realisierungschance und großes Einvernehmen. Das sollten wir nutzen.“

Denis Waldästl (SPD)

 Denis Waldästl von der SPD.

Denis Waldästl von der SPD.

Foto: Meike Böschemeyer/MEIKE BOESCHEMEYER

■ Der Kandidat: Denis Waldästl fährt Lastenrad – nicht als Wahlkampfgag, sondern weil es so praktisch ist. Es braucht Ideen, um der jungen Generation im Kreis Gehör zu verschaffen und sich für das Amt des Landrats zu empfehlen. Das Lastenrad ist ein guter Aufhänger für Gespräche in einem Wahlkampf, der fast nur unter freiem Himmel stattfindet. Waldästl ist 33 Jahre alt, Bankkaufmann im Firmenkundengeschäft, verheiratet, Hangelarer, leidenschaftlicher Rheinländer und Karnevalist. Letzteres hat er mit dem amtierenden Landrat gemeinsam, ebenso wie das Abitur am Beueler Kardinal-Frings-Gymnasium.

Waldästl spricht offen darüber, dass er in kleinen Verhältnissen aufgewachsen ist, „denn ich habe erlebt, dass Aufstieg durch Bildung funktioniert“. Zur SPD kam er, als in Sankt Augustin die Weiberfastnachtsparty auf der Marktplatte und der Nachtbus gestrichen werden sollten. „Da habe ich relativ schnell gesehen, dass man mit Kommunalpolitik etwas bewegen kann.“ 2009 zog er in den Rat ein, wurde 2010 mit 22 Jahren zum Vorsitzenden der örtlichen SPD gewählt und zog 2014 in den Kreistag ein, seit 2018 ist er Vizelandrat. „Die junge Generation hat bei uns eine Stimme in der Partei und ist nicht nur zum Plakatehängen da“, sagt Waldästl. Er findet: „Wenn ein Kommunalparlament ein Querschnitt der Gesellschaft sein soll, dann müssen Parteien auch diesen Querschnitt aufstellen.“

Über seinem Schreibtisch hängt ein Zitat aus Willy Brandts letzter Rede: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer“, jede Zeit brauche ihre eigenen Antworten. „Wir reden über Themen, die die Zukunft betreffen. Deshalb muss auch jemand aus unserer Generation bereit sein, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Waldästl. Er ist bereit.

■ Welches sind die drei dringlichsten Themen im Rhein-Sieg-Kreis und warum?

„Zuerst die Mobilitätswende – raus aus dem Dauerstau und Stärkung von Bus-, Bahn- und Radverkehr. Wir müssen vor Ort Möglichkeiten suchen und selbst entscheiden, statt auf Südtangente oder neue Rheinbrücke zu setzen. Wohnen ist für mich das zweite große Thema in der Region. Die GWG muss pro Jahr 500 neue Wohnungen im Bestand des Kreises bauen. Das dritte große Themenfeld ist die Wirtschaft: Wir müssen Digitalisierung, Klimaschutz und Innovationsprojekte regional weiterentwickeln. Das stärkt die Unternehmen und die Arbeitsplätze vor Ort.“

■ Auf welchen Erfolg würden Sie in fünf Jahren gerne zurückblicken?

„Ich hätte gerne, dass jede Familie im Rhein-Sieg-Kreis einen Kita-Platz gefunden hat, dass wir die Radpendlerrouten gebaut haben und der Radverkehr eine ganz andere Stellung hat. Und dass es uns gelingt, bezahlbare Wohnungen zu schaffen.“

Christian Koch (FDP)

Christian Koch von der FDP.

Christian Koch von der FDP.

Foto: Matthias Kehrein

■ Der Kandidat: Mit der FDP kam der Bornheimer das erste Mal als Schüler in Berührung. Damals startete Christian Koch mit seinem bis heute besten Freund eine Unterschriftenaktion zur Taktverdichtung der Bahn zwischen Bornheim und Brühl, die die FDP unterstützte. Wenig später übernahm er mit 19 Jahren den Vorsitz der neuen Bornheimer Ratsfraktion, die er seitdem entscheidend mitgeprägt hat. Als Mitglied der FDP-Kreistagsfraktion gewann Koch die Überzeugung, „dass wir im Rhein-Sieg-Kreis unsere Chancen nicht so nutzen, wie wir könnten“, sagt der 35-Jährige, der gegen festgefahrene Strukturen kämpfen will. Noch biete das Bonn-Berlin-Gesetz der Region Sicherheit, doch müsse man vorbereitet sein, sollte eine Neuregelung kommen.

Nach seinem Abschluss in Medienwissenschaften an der Uni Bonn arbeitete Koch im Landtag für den heutigen NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart – bis zum Regierungswechsel. Anschließend wechselten beide an die Handelshochschule Leipzig. „Aber wissenschaftliches Arbeiten war nicht meins“, und so zog es Koch 2012 zurück nach Brühl. Dort wurde er Chefredakteur bei inside-intermedia Digital, einem Online-Verlag für digitale Themen. Nach fünf Jahren bewarb Koch sich dort auf die Stelle als Geschäftsführer, die er bis heute innehat. Eine andere Perspektive verschafft ihm sein ehrenamtlicher Einsatz bei der Freiwilligen Feuerwehr Bornheim, wo er sich seit seinem zehnten Lebensjahr engagiert. Gerne durchwandert er mit seiner Partnerin den Rhein-Sieg-Kreis, fährt Fahrrad und Motorrad und ist außerdem Schiedsrichter bei Handballspielen. Er schätzt Freiheit und Spontaneität. Viele Einzelkämpfer zu einem Team zu formen, lernte er in Job und Kommunalpolitik.

■ Welches sind die drei dringlichsten Themen im Rhein-Sieg-Kreis und warum?

Zu viele Staus, die geplante Rheinquerung, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, fehlende interkommunale Radwege – als drängendstes Thema empfindet Koch den Verkehr. „Ich persönlich glaube, der Kreis braucht ein digitales Update“, sagt er weiter. Außerdem will er der letzte Landrat werden: „Ich würde gerne die Zusammenarbeit mit der Stadt Bonn deutlich intensivieren.“ Vorbild ist die Stadt Aachen, die als Städteregion Aachen mit den umliegenden Kommunen kooperiert.

■ Auf welchen Erfolg würden Sie in fünf Jahren gerne zurückblicken?

Während Koch sich keine Illusionen macht, die Verkehrsprobleme des Kreises in fünf Jahren gelöst zu haben, hält er ein anderes Ziel für machbar: den Kreis zum digitalsten Kreis des Landes zu machen. Dort sieht er das größte Potenzial für schnelle Veränderung.

Michael Otter (Die Linke)

■ Der Kandidat: Michael Otter sitzt auf der Terrasse seiner Doppelhaushälfte im Garten. Am Horizont schimmert die Abtei auf dem Michaelsberg in Siegburg durch die Äste einer Weide. Ein nahezu idyllischer Ort in Kaldauen, wo der 53-Jährige Siegburger seit 2000 mit seiner Frau und den beiden Töchtern lebt. Otter ist nicht nur Spitzenkandidat der Linken in Siegburg, er fordert auch Landrat Sebastian Schuster heraus.

  Der 53-Jährige ist Angestellter beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und engagiert sich dort im Personalrat. Ein politisches Vorbild hat er nicht. „Ich bin ein ziemlich eigenständiger Kopf.“ 13 Jahre alt war er, als Franz-Josef Strauß bei der Bundestagswahl 1980 Kanzlerkandidat der CDU/CSU war. „Dieser Wahlkampf hat mein politisches Interesse geweckt. Mit 17 Jahren bin ich dann in die SPD eingetreten“, sagt Otter. Die Beschlüsse der SPD zur Asylpolitik und der Blauhelmbeschluss gefielen ihm gar nicht und waren der Anlass, sein Parteibuch abzugeben und sich 1992 den Linken anzuschließen. Ideen hat er, der Kandidat aus Kaldauen. Ausdauer auch, ist er doch Marathon gelaufen. Von sich selbst sagt er, ein guter Zuhörer und Schlichter zu sein. Kommen noch eine gewisse Hartnäckigkeit dazu, Engagement, Zielstrebigkeit und analytische Fähigkeiten. Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen hat er in Gummersbach studiert und ein Studium IT-Management in Bonn draufgesetzt.

Michael Otter sieht sich gerüstet für den Job des Landrates, weiß sich aber durchaus auch zu beschäftigen, wenn er es nicht wird, nämlich mit einem guten Buch und mit Musik. Der Beatles-Fan hört auch gerne Klassik – am liebsten Beethoven – und Hardrock.

■ Welches sind die drei dringlichsten Themen im Rhein-Sieg-Kreis und warum?

Sorge bereitet Michael Otter vor allem das Kreisgesundheitsamt. „Da fehlt es an der Kontrolle der Seuchenschutzplanung.“  Stark verbesserungswürdig sei auch die Pandemie-Notfallplanung. Außerdem geht es ihm um soziale Gerechtigkeit. „Die wird in unserer Gesellschaft nicht mehr wirklich gelebt“, sagt Otter und beklagt, dass die „Barrieren in der Gesellschaft“ immer stärker werden. „Die Menschen kommen etwa aus Hartz IV gar nicht mehr raus.“

■ Auf welchen Erfolg würden Sie in fünf Jahren gerne zurückblicken?

„Gut wäre, wenn wir einen kostenfreien Öffentlichen Personennahverkehr bereitstellen. Weitere Erfolge wären mehr wirtschaftliches Engagement des Kreises, um die Wohnungsnot zu lindern, sowie eine kreiseigene Energieversorgung, die auf regenerative Energien fußt. So halten wir das Geld im Kreis.“

Wolf Roth (Piraten)

 Wolf Roth kandidiert für die Piraten.

Wolf Roth kandidiert für die Piraten.

Foto: Paul Kieras

■ Der Kandidat: Politisch engagiert ist Wolf Roth seit seiner frühen Jugend. Aktiv in der Anti-Atomkraftbewegung, Teilnahme an den Friedensdemos der frühen 80er Jahre und der Hausbesetzung der ehemaligen Stollwerck-Schokoladenfabrik in Köln haben den heute 64-Jährigen geprägt. Zu den Piraten ist er 2012 gestoßen. „Schuld“ war der Wahl-O-Mat: höchste Übereinstimmung. Seitdem ist er dabei und kandidiert zum zweiten Mal für das Amt des Landrats. „Bürgernah ist die Kreisverwaltung nicht“, sagt Roth. Das will er ändern. Als Berater und Interims-Geschäftsführer etlicher mittelständischer Unternehmer hat er Erfahrung im dem Leiten von Teams und kennt sich mit Wirtschaft und Finanzen aus. Der gebürtige Kölner ist Familienmensch durch und durch und liebt Unternehmungen mit seiner Frau, den zwei erwachsenen Kindern und vier Enkeln. Und wenn die Karnevalszeit anbricht, dann feiert die Großfamilie gerne zusammen.

Roth hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf. In Köln und Troisdorf aufgewachsen, verweigerte er den Wehrdienst, studierte an der PH Köln Technologie, Kunsterziehung und Wirtschaft, zunächst mit dem Ziel, Berufsschullehrer zu werden. Nebenher arbeitete er als Werkstudent bei Dynamit Nobel, wo er sich vom Stapelfahrer zum Leiter Systementwicklung hocharbeitete.

■ Welches sind die drei dringlichsten Themen im Rhein-Sieg-Kreis und warum?

„Die Zukunft wird digital. In der Verwaltung sollte eGovernment Standard werden und Wartezeiten für Bürger verkürzen. Mehr digitaler Unterricht würde Lehrer, Schüler und Familien entlasten und auch die Nachverfolgung von Infektionen ist digital leichter zu leisten. Klimaschutz wird umgesetzt mit dem Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur, dezentralen eZapfsäulen, einem Ausbau der Wege für Radpendler ebenso wie der Umstellung auf fahrscheinlosen Nahverkehr. Der Kahlschlag in Krankenhäusern soll gestoppt und die Versorgung wieder­ hergestellt werden. Geburten an der oberen Sieg dürfen kein Risiko sein.“

■ Auf welchen Erfolg würden Sie in fünf Jahren gerne zurückblicken?

„Der Rhein-Sieg-Kreis wächst und ist für seine Bewohner, Besucher und Firmen attraktiv. Anfragen, Anträge oder Kfz-Ummeldungen werden überwiegend digital bearbeitet und benötigen kaum noch Zeit, der Breitbandausbau ist auch in den Berggemeinden angekommen und man braucht im Großraum Bonn/Rhein-Sieg keine Tickets mehr in Bus & Bahn. Durch die verstärkte Zusammenarbeit von Hochschule und Industrie bei Digitalisierungsprojekten ist der Kreis zu einem Vorreiter für OpenSource-Projekte geworden. Die Lebensqualität im Kreis ist hoch und macht die Regionale 2025 zu einem Erfolgsprojekt.“

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