Stopp für Millionen-Projekt Ausschuss kippt Planung für Seniorenwohnheim in Wachtberg

Wachtberg-Pech · Der Wachtberger Planungsausschuss hat sich überraschend gegen das geplante Seniorenwohnheim in Pech gestellt. Nur die CDU war am Ende noch dafür, das 15,5-Millionen-Euro-Projekt durchzuziehen. Während Gemeinde und Investor konsterniert reagieren, freut sich die Bürgerinitiative.

 Die Drohnenaufnahme zeigt das Gelände der Wiesenau mit Reitanlage (l.) und früherem Hotel (r.). Der Hotelkomplex soll für das neue Gebäude entlang der Landstraße abgerissen werden.

Die Drohnenaufnahme zeigt das Gelände der Wiesenau mit Reitanlage (l.) und früherem Hotel (r.). Der Hotelkomplex soll für das neue Gebäude entlang der Landstraße abgerissen werden.

Foto: Axel Vogel

Auf absehbare Zeit wird wohl kein Seniorenwohnheim auf dem Areal des früheren Ponyhotels Wiesenau entstehen. Die Mehrheit des Wachtberger Planungsausschusses lehnte es am Dienstagabend ab, den für die weiteren Schritte nötigen Satzungsbeschluss zu fassen. Am Ende hat auch die Sitzungsunterbrechung, die der sichtlich verärgerte Beigeordnete Swen Christian beantragte, das Gremium nicht zum Umdenken bewegen können. Nur die sechs CDU-Mitglieder wollten am bislang von einstimmigen Beschlüssen oder von Mehrheiten getragenen Projekt des Prümer Investors Wilfried Hack festhalten.

Dieser will auf dem 5000 Quadratmeter großen Areal an der L158 eine Einrichtung mit 80 stationären Pflegeplätzen, 16 Tagespflegeplätzen und 22 betreuten Servicewohnungen errichten. Um dafür die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, waren sowohl die Aufstellung eines Bebauungsplans wie auch die Änderung des Flächennutzungsplans in einem Teilstück nötig. Eigentlich standen in der Sitzung die Stellungnahmen aus der Offenlage auf der Tagesordnung.

Grüne stellen sich gegen den Koalitionspartner CDU

Doch Oliver Henkel (Grüne), der als erster das Wort ergriff, plädierte überraschenderweise dafür, die vielen Einzelpunkte gar nicht erst zu thematisieren, sondern die grundsätzliche Zustimmung zum Verfahren abzufragen. Seine Begründung: „Der vorhandene Platz ist ausgeknautscht bis zum Letzten.“ Ein K.o.-Kriterium neben anderen sei, dass weiterhin keine Aufenthaltsqualität in den Außenanlagen erkennbar sei.

Den Koalitionspartner hatte Henkel vorgewarnt, denn noch in der Sitzung gab es eine vorbereitete CDU-Pressemitteilung, aus der Christoph Fiévet nach der Abstimmung vortrug. Er bedauerte, dass man sich mit den Grünen „ausgerechnet“ bei diesem Projekt auf keine gemeinsame Linie einigen konnte. Bei aller Geschlossenheit müsse es aber möglich sein, dass Parteien „für ihre eigenen, sich vom Koalitionspartner unterscheidenden Vorstellungen, eintreten“. Es gebe für die CDU keinen Grund, plötzlich Nein zu sagen, da der Investor die Planung „unseren Wünschen entsprechend“ angepasst habe.

Bürgerinitiative sieht Wünsche nicht genug berücksichtigt

Genau das sah Mira Schwarzenberger (Unser Wachtberg) anders: „Ich habe jetzt zum vierten Mal 500 Seiten gelesen und hatte nie das Gefühl, dass der Planer auf unsere Bedenken eingeht.“ Grundsätzlich sei sie, wie viele andere im Plenum, für den Bau eines Pflegeheims und hätte sogar den massiven Bau akzeptiert, meinte Roswitha Schönwitz (SPD). „Aber ich habe noch nie in meiner zwölfjährigen Ratsarbeit bei einer Offenlage zu einem Projekt so eine kritische Haltung der Behörden und Träger der öffentlichen Belange gesehen“, so Schönwitz. Der Appell von Fiévet - „Wenn das Projekt heute mehrheitlich abgelehnt wird, ist es tot“ - konnte das Gremium von seiner Meinung nicht abbringen. Das letzte Wort hat zwar der Rat, dort dürfte sich das Ergebnis aber ähnlich widerspiegeln. 

Das sagt die Gemeinde: Beigeordneter Swen Christian teilte am Mittwoch auf Anfrage mit, dass die Wendung insofern überraschend gekommen sei, „als dass es bereits durch den Offenlagebeschluss vom 26. Mai 2021 ein deutliches Votum für die Planung per namentlicher Abstimmung mit elf Ja-Stimmen und vier Nein-Stimmen gab“. Darin enthalten gewesen sei auch der nun kritisierte Baukörper, der sich aus vier vorgeschlagenen Alternativen durchgesetzt hatte. „Die im Laufe des Verfahrens aufgeworfenen Fragen konnten aus Sicht der Verwaltung geklärt werden“, betonte Christian.

Nach wie vor gelte der einstimmig gefasste Aufstellungsbeschluss des Rates vom März 2019. „Damit ist für mich klar, dass weder der Standort noch die beabsichtigte Nutzung in Frage gestellt sind“, sagte der Beigeordnete. Befragt nach möglichen Regressforderungen des Investors meinte er: „Ein Anspruch auf die Entwicklung des Gebiets besteht nicht, insofern entstehen der Gemeinde Wachtberg keine finanziellen Nachteile.“ Der bisher geleistete, „erhebliche Verwaltungsaufwand“ hingegen sei nicht bezifferbar.

Das sagt der Investor: Hinter dem 15,5-Milionen-Euro-Projekt steht die Projekta GmbH aus Prüm und mit ihr Wilfried Hack. Die Gesellschaft ist spezialisiert auf die Projektierung und Errichtung von Senioren-Pflegeimmobilien. „Was wir am Dienstag erlebt haben, passiert einem Investor in einem Vierteljahrhundert glücklicherweise nur einmal“, meinte Hack im Nachgang. Man habe im Vertrauen auf den Ratsbeschluss bisher einen Betrag im unteren 7-stelligen Bereich investiert. „Wie wir an dem Projekt weitermachen werden, wissen wir angesichts der jetzt gezeigten Unberechenbarkeit der Wachtberger Politik noch nicht“, sagte der Investor, der in der Sitzung anwesend war.

Alle in Wachtberg hätten die soziale Infrastruktur der ganzheitlichen Senioreneinrichtung gewollt, „aber möglichst nicht zu groß, nicht vor der eigenen Haustüre, nicht vor der eigenen ländlichen Idylle, möglichst ohne Baulärm gebaut und möglichst mit Investorengeld nach den eigenen Vorstellungen geplant und umgesetzt“. Sein Unternehmen habe dutzende große Pflegeeinrichtungen auf eigene Rechnung geplant und gebaut. „Es verwundert uns, welche selbsternannten Experten im Rat auftreten, die uns sagen wollen, wie man eine Senioreneinrichtung zu planen hat“, ließ er einen gewissen Frust durchblicken.

Das sagt die Initiative: Mary Schirilla hat mit anderen Pecher Bürgern mobil gemacht gegen das Projekt. „Ich bin sehr froh, dass unsere Initiative dazu beitragen konnte, ein Umdenken bei den Fraktionen im Planungsausschuss zu erreichen“, sagte sie zur Entscheidung. Man habe sich eine Wende erhofft, „aber dieser Ausgang der Sitzung war dann wirklich für uns ‚der Hammer‘“. Die Initiative habe sich erfolgreich dagegen gewehrt, dass kommerzielle Gründe vor den Bedürfnissen der Senioren und der Pecher Bürger stünden. „Und was die Pläne in Zukunft für das Areal an der Wiesenau angehen, sind wir total offen. Wir werden aber genau hinschauen und uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Lebensqualität für alle Altersstufen in unserem Pech erhalten bleibt“, kündigte Schirilla an.

Das sagt der Kreis: In seiner Stellungnahme zur Offenlage hat der Rhein-Sieg-Kreis diverse Bedenken vorgetragen. Sowohl zur Änderung des Flächennutzungsplans wie zum Bebauungsplan. Vor allem stören sich die Fachleute an der schlechten Erreichbarkeit Pechs für die Senioren. „Ziel des Bebauungsplans und auch Vorgabe der Bezirksregierung ist, dass die Anbindung der Einrichtung an den Ortsteil Pech städtebaulich gesichert wird. Diesem Anspruch wird der B-Plan nicht gerecht“, heißt es. Die Wegeverbindung führe über fremdes Eigentum und die Höhenunterschiede seien für ältere Leute schwierig zu meistern.

Das Gebäude selbst gibt ebenfalls Anlass zu Kritik: „Wenn eine Verdoppelung der Gebäudelänge und eine Vervielfachung des Gebäudevolumens möglich sind, kann nicht mehr die Rede davon sein, dass auf diese Weise sichergestellt wird, dass sich die neue Bebauung in die bestehende Situation einfüge.“ Die Abwägung der Anregungen obliege aber der Gemeinde, sagte Daniela Blumenthaler von der Pressestelle des Kreises.

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