Konzertglockenspiel im Turm 60 Jahre Carillon in Beuel

Beuel · Das Beueler Carillon hoch oben im Turm von St. Josef ist 60 Jahre alt. Das wird in diesem Jahr mit viel Musik gefeiert.

 Ariane Töffel am Stockspieltisch hoch oben über Beuel. Man achte auf die Handhaltung, wie die Stöcke angeschlagen werden, und die Drahtseile, die zu den Klöppeln der Glocken führen.

Ariane Töffel am Stockspieltisch hoch oben über Beuel. Man achte auf die Handhaltung, wie die Stöcke angeschlagen werden, und die Drahtseile, die zu den Klöppeln der Glocken führen.

Foto: Rainer Schmidt

Beuel hat etwas, was es in Deutschland nur selten gibt: ein Carillon. Und das bereits seit 60 Jahren. Runder Geburtstag des Carillons im Turm von St. Josef – das darf gefeiert werden.

Aus diesem Anlass werden Carillon-Konzerte mit international renommierten Carilloneuren stattfinden (siehe „Das Programm“). Das Carillonspiel kann von vielen Stellen aus rund um die Kirche sehr gut gehört werden. Die Konzerte finden immer an einem Donnerstag statt, denn donnerstags ist Carillon-Tag in Beuel. An jedem ersten und dritten Donnerstag eines Monats spielen die beiden Carilloneure, Ariane Toffel und Georg Wagner, live auf diesem weit zu hörenden und schwierig zu spielenden Instrument.

Ein Carillon wird manchmal auch als Turm- oder Konzertglockenspiel bezeichnet. „Ein Glockenspiel wird erst dann zum Musikinstrument namens Carillon“, erklärt Georg Wagner, „wenn es eine hinreichende Mindestanzahl an Glocken aufweist und rein mechanisch über eine Handspieleinrichtung gespielt werden kann“. Diese Handspieleinrichtung, auch Stockspieltisch genannt, erlaubt ein schnelleres und präziseres Spiel als ein rein elektrisches Glockenspiel.

Der größte Vorteil ist aber die Anschlagsdynamik, wie man sie vom Klavier her kennt. Die Tasten für die Hände sind als gerundete Holzstäbe gefertigt, sie werden auch Stocktasten genannt. Die Glocken selbst werden nicht bewegt, lediglich die Klöppel werden über ein Drahtsystem an die Glocken herangeführt. Gespielt wird hoch oben im Turm, oberhalb des Zifferblatts der Turmuhr, in einer kleinen Kabine, die man über 189 Stufen erreicht.

Das Carillon im Turm von St. Josef wurde von 1960 bis 1962 erbaut. Adam Bodewig, ab 1950 Gemeindepfarrer von St. Josef, gab 1958 den Startschuss, um ein neues, wohlklingendes Geläut für St. Josef anzuschaffen. Diese Pläne wurden bald um ein Carillon erweitert. Mit der übergroßen Spendenbereitschaft zeigten sich hier die Wurzeln der Beueler Seele, die etwas Besonderes für ihren Ort und ihre Kirche bewirken wollten.

Die Glocken wurden von Friedrich Wilhelm Schilling, einem anerkannten Glockengießer auf dem Gebiet der Glockengießkunst und des Baus von Carillons, hergestellt. Mit 62 Glocken bei einem Tonumfang von fünfeinhalb Oktaven zählte das Beueler Carillon damals zu den größten Instrumenten weltweit und stellte bis zum Bau des Carillons im Berliner Tiergarten 1987 das größte Instrument Deutschlands dar.

 Einige der Glocken des Carillons.

Einige der Glocken des Carillons.

Foto: Rainer Schmidt

1998 unternahm die Pfarrgemeinde erste Versuche, das inzwischen verstummte Carillon wieder zum Klingen zu bringen, doch wegen der zu erwartenden hohen Kosten wurde das Projekt zurückgestellt. Dem Schiffer-Verein Beuel ist es zu verdanken, dass 2007 der Plan wieder Fahrt aufnahm.

Es wurde das Ziel gesetzt, bis 2012, zum 150-jährigen Bestehen des Schiffer-Vereins und zum 50-jährigen Bestehen des Carillons, dieses restauriert zu haben. Das Vorhaben stieß bei Gemeinde, Bevölkerung und ortsansässigen Unternehmen auf eine große Spendenbereitschaft, sodass auch das Erzbistum Köln Mitte 2008 einen wesentlichen Zuschuss gab und die Restaurierung bereits 2010 abgeschlossen werden konnte.

Bis 2018 erfolgte das Glockenspiel nicht nur manuell, sondern alternativ auch über eine pneumatische Automatik mittels Lochbändern aus Faltkarton, die 43 Glocken ansteuern konnte. Doch im Juni 2018 zerstörte ein Blitzeinschlag die dazu notwendige Zeitschaltuhr. Da die vorhandenen Lochbänder inzwischen Verschleißerscheinungen zeigten und deren Liedrepertoire Wünsche offenließen, wurde eine neue, computergestützte Steuerung geplant, die im November 2020 durch eine niederländische Fachfirma installiert wurde.

Carilloneure mit Ausbildung

Im Dezember 2020 ernannte der Kirchenvorstand Ariane Toffel und Georg Wagner zu den Carilloneuren von St. Josef. Beide erhielten ihre Ausbildung am niederländischen Carillonzentrum in Amersfoort. Bereits seit 2018 sind sie Carilloneure von Bad Godesberg und Stadtglockenspieler von Aschaffenburg.

Georg Wagner und Ariane Toffel stellten zur Fertigstellung der computergestützten Spielmöglichkeit ein Glockenspielbuch mit dem sprechenden Namen „Himmlische Klänge“ zusammen, worin 88 Arrangements, davon 87 von ihnen, enthalten sind. Aus diesem Repertoire erklingt täglich kurz vor 11 und 17 Uhr ein Lied. „Die neuen Kompositionen des Beueler Glockenspielbuches sollen an erster Stelle dazu dienen, die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag mit Glockenmusik zu erfreuen“, so Wagner.

Die Festkonzertreihe eröffnet am 31. März Koen Cosaert aus Kortrijk (Belgien). Er ist Direktor der Königlichen Carillon-Schule Jef Denyn in Mechelen, die heute als das älteste und größte Institut für Carillon gilt. Er wird nicht nur klassische Stücke spielen, sondern auch tanzbare Musik wie eine Samba von Gershwin oder jazzigen Ragtime.

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