#iseeracism Bonnerin startet Instagram-Initiative gegen Rassismus-Relativierung

Bonn · Die Bonner Studentin Kassandra Kate Ramey hat die Kampagne „#iseeracism“ auf Instagram gestartet. Sie richtet sich an Menschen, die meinen, es gäbe keinen Rassismus in Deutschland.

 Nach der Ermordung des Afroamaerikaners George Floyd entwickelte Kassandra Kate Ramey spontan ihre Anti-Rassismus-Kampagne.

Nach der Ermordung des Afroamaerikaners George Floyd entwickelte Kassandra Kate Ramey spontan ihre Anti-Rassismus-Kampagne.

Foto: Stefan Hermes

„Bei uns sind viele Menschen davon überzeugt“, sagt Kassandra Kate Ramey (26), „dass es keinen Rassismus in Deutschland gibt.“ Zumindest keinen „richtigen“, fügt sie nach kurzer Pause hinzu. Schließlich, so die allgemeine Auffassung, habe in Deutschland ja jeder die gleichen Chancen. Auch Politiker täten kund, dass es in Deutschland keinen „strukturellen Rassismus“ gebe, sagt Ramey. Doch sie weiß es als schwarze Tochter eines Afroamerikaners und einer Philippinerin besser. Mit ihrer Aktion „#iseeracism“ (engl. I see racism / Ich sehe Rassismus) scheint es ihr nun auch zu gelingen, einige der Menschen zu erreichen, die sich selber als frei von jeglichem rassistischen Denken oder Handeln bezeichnen würden.

Kaum zwei Wochen war ihre „#iseeracism“ auf Instagram gestartet, da hatten sich bereits über 40 Menschen mit Beispielen von Alltagsrassismus gemeldet, die auch jene nachdenklich stimmen könnten, die das Thema Rassismus weit von sich weisen.

„Wenn ich nach dreimaligem ‚Ich wurde hier geboren‘ noch gefragt werde, wo ich wirklich herkomme“, ist dort etwa als rassistische Verletzung gepostet und von 167 Nutzern bestätigt worden.

Auch für Ramey gehören solche Äußerungen zum Alltag. Seit acht Jahren engagiert sich die vor ihrem ersten Staatsexamen stehende Bonner Jurastudentin für eine globale Gerechtigkeit. Als Jugendbotschafterin von ONE, einer internationalen Bewegung, die sich für das Ende extremer Armut und vermeidbarer Krankheiten weltweit einsetzt, war sie erst kürzlich im Berliner Entwicklungshilfeministerium und hatte dort neben Treffen mit Minister Gerd Müller und Bundeskanzlerin Angela Merkel auch schon vor zwei Jahren eine Begegnung mit ihrem Idol Kofi Annan. „Er war so ungeheuer gut im Zusammenbringen von Menschen“, schwärmt sie von dem ehemaligen UN-Generalsekretär.

„Ernsthafte Debatte über Rassismus in Deutschland wird ausgebremst“

2015 überbrachte die damals 21-Jährige in New York als ONE-Repräsentantin die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung aus Deutschland. Da engagierte sich Ramey bereits seit vier Jahren für den weltweiten Kampf gegen Armut. Gemeinsam mit U2-Sänger und ONE-Mitbegründer Bono und Friedensnobelpreisträgerin Malala überreichte die Bonner Studentin dem damaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in NewYork die Petition „Poverty is sexist“ („Armut ist sexistisch“). Darin wurde gefordert, Frauen und Mädchen zu stärken, um Armut und Hunger inder Welt ein Ende zu setzen.

Seit der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch amerikanische Polizisten am 25. Mai kam es auch in Deutschland zu Protesten von mehreren zehntausend Teilnehmern in über 20 Städten. „Trotzdem wird eine offene, ernsthafte Debatte über Rassismus in Deutschland immer öfter durch relativierende Vergleiche zu anderen Ländern ausgebremst“, meint Ramey. Relativierungen seien jedoch weder eine Meinung noch eine Antwort auf die Frage, in welchen Formen Rassismus in Deutschland existiert, und wie er individuell sowie institutionell zu bekämpfen sei. Grund für sie zu der Forderung: „Wir brauchen eine deutsche Rassismusdebatte!“.

Gelungener Start von #iseeracism auf Instagram

Unter dem von ihr gesetzten Hashtag „iseeracism“ ist sie nun in den Sozialen Medien im vollem Gange. Ramey ist froh über den gelungenen Start auf Instagram. „Bonn ist im Vergleich zu anderen Städten schon sehr offen“, sagt sie und zitiert Begegnungen mit Kommilitonen, die völlig unbewusst rassistische Äußerungen von sich geben und den Rassismus dabei nur in bildungsfernen Gesellschaftsschichten verorten.

Dass in der weißen Mehrheitsgesellschaft Deutschlands der Umgang mit Menschen einer anderer Hautfarbe als der weißen sehr subtil anders ablaufen kann als der mit Ihresgleichen, hat Ramey schon in der Grundschule gespürt. Nicht nur, dass sie von anderen Kindern mit Sätzen wie, „deine Haut sieht aus wie Kacke“, beleidigend getroffen wurde, sondern dass man ihren Eltern auch empfahl, die kleine Kassandra besser auf eine Hauptschule zu geben. „Ich habe nie daran geglaubt, dass ich wirklich intelligent sein könnte“, so Ramey. Obwohl sie immer Einsen schrieb und auch im Zeugnis bestätigt bekam, war ihr Selbstbewusstsein empfindlich gestört.

„Weiße Durchschnittsdeutsche wurden rassistisch sozialisiert“

Mit einer Bewerbung für ein dreijähriges Stipendium bei der START-Stiftung für talentierte Jugendliche mit Migrationserfahrung nahm sie ihr Schicksal in der zehnten Realschulklasse im pfälzischen Frankenthal selber in die Hand. „Das hat mein Leben verändert“, fasst sie die Erfahrungen mit dem Bildungsstipendium heute zusammen. Sie wechselte auf das Gymnasium, bestand ihr Abitur und begann 2012 ihr Studium in Bonn. Das START-Programm der gemeinnützigen Hertie-Stiftung „für junge Menschen, die unsere Gesellschaft mitgestalten wollen“, war bei Ramey auf fruchtbaren Boden gefallen. So weckte auch eine erste Exkursion in den Berliner Bundestag ihr politisches Interesse und späteres Engagement.

Wenn sie heute von Bonn aus auf den Alltagsrassismus in Deutschland aufmerksam macht, ist ihr bewusst, „dass weiße Durchschnittsdeutsche kaum absichtlich rassistisch sind, sondern dass sie eher rassistisch sozialisiert wurden“, was sich in solchen Vorurteilen äußere, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe mit Drogen dealten oder nur einen geringen Bildungsstand hätten. Ersteren Verdacht musste ihr Vater schon durch häufige Polizeikontrollen erleben. Und seine Tochter ist nicht nur der dringenden Empfehlung ihrer Eltern, dass Bildung für sie alles sein müsse gefolgt, sondern weiß sie auch bis heute zu nutzen.

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