Patientenkolloquium am 20. Oktober UKB berät zu Therapiemöglichkeiten gegen Allergien

Bonn · Beim nächsten Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn geht es um Allergien. Was löst sie aus, woran leiden die Betroffenen vor allem und welche Therapien helfen ihnen im Alltag am besten?

 Komplexe Anatomie: Die Nase ist bei Allergien oft betroffen, Polypen können zusätzlich die Atmung erschweren.

Komplexe Anatomie: Die Nase ist bei Allergien oft betroffen, Polypen können zusätzlich die Atmung erschweren.

Foto: Rolf Müller/UKB

Die Nase juckt und läuft. Schnupfen und Nies­attacken machen es nahezu unmöglich, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren. Im Frühjahr und Sommer lösen Birken-, Erlen-, Hasel- oder Gräserpollen solche zum Teil recht heftigen Reaktionen aus. Jetzt, in der Heizperiode, mögen es vermehrt Schimmelsporen sein. Eine Allergie gegen Hausstaubmilben oder Tierhaare dagegen ist von der Jahreszeit unabhängig. Und das Gift von Bienen oder Wespen kann sogar zu einem anaphylaktischen Schock führen: einem lebensbedrohlichen Zustand mit Zuschwellen der Atemwege und akutem Kreislaufversagen.

Mit Abstand am häufigsten ist allerdings der sogenannte „Heuschnupfen“, oft begleitet von juckenden Augen, Reizhusten, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Andere leiden unter Nahrungsmittelallergien, unter Neurodermitis mit trockener und entzündeter Haut oder unter Nesselsucht mit Rötungen, Quaddeln und quälendem Juckreiz.

Die Verantwortung für all das trägt das Immunsystem, das in seiner Antwort auf meist völlig harmlose Fremdstoffe über das Ziel hinausschießt. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Die körpereigene Abwehr ist lebenslang lernfähig. Sie kann sich im Laufe der Zeit an Allergene gewöhnen. Und sie lässt sich durchaus beeinflussen, um das tägliche Leben für die Allergikerin oder den Allergiker zu erleichtern. Genau darauf zielen sowohl bewährte als auch neu etablierte Therapien ab, die Professorin Natalija Novak, Oberärztin der Klinik für Dermatologie und Allergologie, und Professor Sebastian Strieth, Direktor der Klinik für HNO-Heilkunde, beim nächsten Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn (UKB) am Donnerstag, 20. Oktober, von 18 bis 19.30 Uhr vorstellen. Das Spektrum reicht dabei von symptomatischer Behandlung über eine allergen-spezifische Immuntherapie bis hin zur Behandlung mit neuen, „Biologika“ genannten Präparaten.

Knapp 23 Millionen Deutsche sind von Allergien betroffen

Wie die Bundesregierung Anfang September unter Verweis auf das Robert Koch-Institut (RKI) berichtete, sind mehr als 23 Millionen Deutsche von Allergien betroffen. Laut RKI gaben 2019/2020 knapp 31 Prozent der Erwachsenen eine solche Erkrankung während der zurückliegenden zwölf Monate an. Das entspreche mehr als 21 Millionen Erwachsenen ab 18 Jahren (neun Millionen Männern, zwölf Millionen Frauen). Dazu kämen rund 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche.

Insgesamt, leitet Novak ein, ist die Zahl der Patientinnen und Patienten mit Allergien in den vergangenen 15 Jahren um 25 Prozent gestiegen, „was sich auch auf unseren Lebensstil hier in Deutschland zurückzuführen lässt“. Gefühlt dürfte dieser Anteil sogar noch höher liegen, da auch empfindliche Reaktionen des Körpers auf stark reizende Substanzen gelegentlich fehlinterpretiert werden. Auf breiter Basis gebe es nach wie vor Aufklärungsbedarf, sagt Novak. So zeigten Daten aus der Versorgungsforschung, dass auch schwere chronische Allergien jahrelang gar nicht oder nur rein symptomatisch therapiert werden. „Sie sind hierzulande erstaunlicherweise tendenziell unterbehandelt und werden nicht selten bagatellisiert“, sagt auch Strieth.

Dass jeder Dritte bundesweit von einer diagnostizierten Allergie im Laufe seines Lebens spricht, heißt einerseits nicht, dass 33 Prozent aller Deutschen gleichzeitig darunter leiden. Andererseits muss man sich von der Vorstellung verabschieden, jemand gehöre entweder zum bedauernswerten Kreis der Allergiker oder habe ein Leben lang davor Ruhe. „Neigungen zu Allergien“, so Strieth, „sind nicht statisch. Jeder kann sie bekommen, in jedem Alter.“ Und in vielen Fällen sei es besser, sie zu behandeln: „Schon um einem späteren Etagenwechsel vorzubeugen“, betont Strieth. Als solcher wird es bezeichnet, wenn die allergischen Beschwerden den tieferen Luftweg erreichen und sich beispielsweise aus einem „banalen“ Heuschnupfen im Laufe der Zeit allergisches Asthma entwickelt, das zunehmend auch die Lunge in Mitleidenschaft zieht.

„Allergie-Diagnostik ist meist ein Puzzle, anspruchsvoll und zeitaufwendig“, betont Strieth. Es kann auch zwei bis drei Jahre dauern, um eine geeignete Therapie effektiv umzusetzen.“ Zwar ist es im Grunde eine gute Strategie, dem Allergen aus dem Weg zu gehen. Nur umsetzen lässt sie sich nicht immer. Besser sei es, das Problem bewusst anzugehen – je nach Beschwerden in der dermatologischen, der allergologischen oder auch in der HNO-Praxis.

Den Grundstein für eine erfolgreiche Therapie legt die Anamnese, das erste Gespräch mit dem Arzt. Dessen Wert „sollte nicht unterschätzt werden“, sagt Novak. „Es geht dabei nur selten um ein Allergen allein – es sind meist mehrere, auf die der Körper reagiert.“ Ergebnisse der Blutuntersuchung, der Provokations- und Prick-Tests (bei dem Allergenlösungen auf die Haut getropft werden) können Aufschluss darüber geben, was das Immunsystem tatsächlich herausfordert. „Die Haut ist ein wichtiges allergologisches Organ“, sagt Novak. „Und es ist essenziell, die Allergene genau zu identifizieren. Eine Immuntherapie gegen die falschen wäre nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich.“

Das Immunsystem kann sich an Allergene gewöhnen

Eine Option ist die „subkutane“ oder „sublinguale Immuntherapie“ (SCTI oder SLIT): Dabei träufeln sich die Patienten mehrmals pro Woche, morgens nach dem Zähneputzen, ein paar Tropfen einer Allergenlösung unter die Zunge oder nehmen eine sich noch in der Mundhöhle auflösende Tablette ein. Die Therapie sollte über drei Jahre durchgeführt werden. Im Laufe der Zeit hat sich das Immunsystem dann in der Regel an das Allergen „gewöhnt“ und toleriert es anschließend.

Die Diagnostik einer möglichen Allergie kann aber auch noch auf ein anderes Problem aufmerksam machen, die „Polyposis Nasi“: Nasenpolypen bei Erwachsenen, die die Atemwege verstopfen. Diese gutartigen Wucherungen der Nasenschleimhaut treten meist auf beiden Seiten auf und sehen aus wie kleine gestielte Pilze oder Tropfen. In ihrer Größe können sie stark variieren, von wenigen Millimetern Durchmesser bis hin zu Zentimetern. Geruchssinn und Geschmack werden dadurch vermindert, die Anfälligkeit für akute Nebenhöhlenprobleme nimmt zu, und auch der Rachen wird gereizt, wenn der/die Betroffene zunehmend durch den Mund atmet.

Es handelt sich um eine Entzündungsform, die oft bei Allergikern auftritt, zum Beispiel bei Patienten mit Neurodermitis. Zwar können die Ausstülpungen endoskopisch entfernt werden. „Das kommt jedoch erst in Betracht, wenn alle konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft sind“, erläutert Strieth.

Polypen wachsen häufig auch wieder nach. Da diesem Wachstum Entzündungsprozesse zugrunde liegen, können in hartnäckigen Fällen antiinflammatorische Biopräparate helfen (Biologicals, siehe Text unten). „Dazu gibt es aber noch keine Langzeitergebnisse.“

Eine weitere Möglichkeit, um – gerade bei Pollenallergikern – die Atmung und Belüftung der Nase und Nebenhöhlen zu verbessern, kann die operative Begradigung der Nasenscheidewand sein, so Strieth abschließend: „Die Nase ist ein komplexes und faszinierendes Organ, das sich ein Leben lang verändert und sogar kontinuierlich wächst.“

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