Man of the Match Überragender Skhiri ist für den 1. FC Köln unverzichtbar

Köln · Ellyes Skhiri bekommt einfach nicht genug: Mit seiner überragenden Leistung beim 3:1 gegen Greuther Fürth hat sich der Mittelfeldstratege erneut zum Man of the Match aufgeschwungen – nicht nur wegen seines Tore-Doppelpacks.

Drei Treffer in den vergangenen beiden Bundesliga-Partien: Mittelfeldspieler Ellyes Skhiri entwickelt sich zum Torjäger.

Drei Treffer in den vergangenen beiden Bundesliga-Partien: Mittelfeldspieler Ellyes Skhiri entwickelt sich zum Torjäger.

Foto: dpa/Marius Becker

Kaum vorstellbar, dass Dr. Matthias Jöllenbeck in seinem Beruf den einen oder anderen Sprint anzieht, wenn er im Zuge seiner Visiten unterwegs ist. Als Arzt in der Orthopädie und Unfallchirurgie an der Uniklinik Freiburg dürfte er sich eher auf das Schritttempo beschränken. Als hauptamtliche Kraft im Freien jedoch muss er sich hin und wieder seiner Spitzengeschwindigkeit bedienen. Bei seinem Einsatz als Bundesliga-Schiedsrichter am vergangenen Freitag auf dem Rasen in Müngersdorf war nach rund 90 Minuten Anstrengung auf höchstem Niveau noch einmal ein letzter Sprint gefragt. Doch im Wettstreit mit Ellyes Skhiri hatte er keine Chance. Niemand hatte eine Chance gegen den rasanten Antritt des Tunesiers, der als Mittelfeld-Dauerläufer beim 1. FC Köln bislang eher durch seine beachtliche Ausdauer sehr augenfällig wurde.

Am Freitagabend jedoch, am Ende dieses mitreißenden Flutlichtspiels gegen den Aufsteiger SpVgg Greuther Fürth, schmiss er seinen Turbo noch mal an. Unwiderstehlich zog er los vom eigenen Strafraum mit den Siebenmeilenstiefeln, die schon den kleinen Muck in Rekordzeiten ans Ziel brachten. Mit seinen langen Beinen und den raumgreifenden Schritten war Skhiri nicht beizukommen, von niemandem. Auch nicht von dem mit einigem Vorsprung ausgestatteten Jöllenbeck, den er bereits an der Mittellinie kassierte. Der Unparteiische aus Freiburg sah nur noch die Hacken der Fußball-Treter, mit denen sich Skhiri auf machte zum gegnerischen Strafraum. Auch den vorausgeeilten Kollegen Louis Schaub, erst eingewechselt, ließ er lässig stehen, bekam aber immerhin den Ball von dem Österreicher zugesteckt. Auch mit Ball: Skhiri ist nicht zu fassen. Am Ende - und trotz letzter Anstrengung - trifft der 26-Jährige gefühlvoll zum 3:1-Endstand.

Laufstärkster Spieler auf dem Platz

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Foto: dpa/Marius Becker

Sein zweiter Treffer in einer Partie, über deren führenden Protagonisten es keine zwei Meinungen geben dürfte. Der dauerlaufende Duracell-Mann war omnipräsent. Skhiri erzielte gegen Fürth nicht nur seinen zweiten Doppelpack in der Bundesliga, sondern war mit 75 Prozent gewonnenen Duellen zweikampfstärkster, mit 12,6 Kilometern laufstärkster Spieler auf dem Feld und in der Höchstgeschwindigkeit ganz vorn dabei.  Ein Schlüsselspieler. Für Köln. Und auch aus Sicht seiner Kollegen. „Ellyes ist der größte Profi, den ich kenne", schwärmte Abwehr-Chef Rafael Czichos, „Er arbeitet jeden Tag so unglaublich viel, doppelt so viel wie alle anderen." Und: „Der schmeißt sich in jeden Zweikampf rein. Dazu kann er auch noch übertrieben gut Fußball spielen." Und nun zeigt Skhiri auch noch vor dem Tor eine gnadenlose Effektivität. Der Treffer zum 2:1 (55.) wurde ihm angerechnet. Er und Czichos hatten quasi in einer Gemeinschaftsproduktion den Ball irgendwie über die Linie des Fürther Gehäuses bugsiert. Der Videoschiedsrichter schaute sich den Treffer noch einmal an und entschied dann: Tor durch Skhiri. Das war großes Glück – für die nimmermüde Nummer 28 der Kölner. Und den FC. Wäre nämlich Czichos zuletzt am Ball gewesen, dann hätte das Tor wegen dessen Abseitsposition keine Anerkennung gefunden. „Der kann laufen ohne Ende, das hat man heute wieder gesehen", sagte Czichos staunend. "So einen Sprint kurz vor Schluss noch anzuziehen - das kann bei uns nur er."

Ungläubiges Staunen auch bei Jörg Jakobs. „Ich habe es nochmal in der Zeitlupe gesehen und ihm dabei ins Gesicht geschaut“, sagte der Sportchef, der in der Regel auf große Lobeshymnen keinen Wert legt, aber „das war eine pure Energieleistung. Den am Ende noch so locker reinzuschieben, kommt an Qualität noch hinzu.“ Die Kölner Verantwortlichen – und die Mitspieler -  dürften froh darüber sein, dass da einer ist, der mit großer Entschlossenheit seine Qualität abruft. Besser gesagt: dass da immer noch einer ist. Denn es war ja lange nicht sicher, ob Skhiri beim FC bleibt oder sich einem ambitionierten europäischen Club anschließt. Seit sein Verbleib beim FC vorerst gesichert ist, schenkt ihm Trainer Steffen Baumgart das Vertrauen. Und der Spieler zahlt es mit jedem Meter zurück. In den Kategorien gewonnen Zweikämpfe und intensive Läufe gehört er jeweils zur Spitzengruppe der Bundesliga.

Kritik von Baumgart

Manche Meter aber, die er auf den Rasen bringt, erachtet Baumgart als überflüssig. Das äußerte er auch nach der Fürth-Partie. „Gerade im taktischen Bereich sieht man, dass er den einen oder anderen Schritt machen muss“, sagte er mit kritischem Unterton. „Ellyes hat noch einen langen Weg vor sich, um dahin zu kommen, wo manche ihn schon sehen“, sagte Baumgart. Überraschend kritische Worte an die Adresse des offenkundig dominanten Spielers im FC-Kader. Doch der Trainer ergänzte: „Er ist ein sehr guter Spieler, sehr fleißig, sehr wichtig für die Mannschaft.“ Sogar den Ansatz eines Helfersyndroms unterstellt er dem Mittelfeldkämpfer.  „Manchmal läuft er sogar zu viel, weil er viel machen will für die Jungs.“

Sein Sprint in letzter Minute allerdings riss nicht nur die Fans und Mitspieler mit, auch Baumgart war angetan. „Wenn wir das letzte Tor sehen, wie er da vom eigenen Strafraum durchsprintet, da kann man schon mal die Kappe ziehen.“

In den Herzen der FC-Fans

Mit seinem zweiten Treffer machte Skhiri dann in der Schlussminute den Deckel auf den Sieg des FC, der zur Pause 0:1 zurückgelegen hatte. „Ich wusste, dass ich den Weg zum Tor noch gehen kann“, sagte der Torschütze. „Also musste ich ihn auch gehen. Ich versuche, mein Bestes zu gegeben. Ich weiß nicht, ob ich schnell war, aber ich habe mein Bestes gegeben. Es ist einfach nur schön, mit einem tollen Ende für uns.“ Er strahlte. Anzeichen von totaler Erschöpfung? Nicht bei einem wie ihn, der immerhin leise zugab, „etwas müde“ zu sein.

Seine freundliche Zurückhaltung kommt ohnehin gut an in Köln. Den Weg in die Herzen der Fans hat Ellyes Skhiri längst gefunden. Nun aber ist er noch tiefer eingedrungen. Im Sprint.

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