Auftakt in die neue Spielzeit So will der FC in der kommenden Saison für Erfolg sorgen

Köln · Der 1. FC Köln hat in der vergangenen Spielzeit überrascht. Jetzt will sich der Club im Ligamittelfeld etablieren. Unter der bevorstehenden Dreifachbelastung eine schwere Aufgabe – aber eine lösbare.

1. FC Köln: So will der FC in die kommende Saison starten
Foto: dpa/Federico Gambarini

Breitbeinig, die Hände tief in den Taschen der Trainingshose vergraben, der Blick starr. Es ist ein seltener Moment der Stille. Ruhe. Steffen Baumgart hält inne, genießt den Augenblick. Vor seinen Augen jubelt die Mannschaft, seine Mannschaft. Die Spieler des 1. FC Köln lassen sich von den mitgereisten Fans feiern. 3:1 in Gladbach, der zweite Derbysieg in der Saison, Europa plötzlich greifbar nah. Baumgart hat in diesem Moment ebenfalls viel Grund zu feiern, es ist auch sein Erfolg.

Er überlässt diesen Augenblick aber seinen Spielern. Es wirkt so, als bewundere er seine „Jungs“ in diesem Moment. Dann fährt er sich mit den Händen übers Gesicht, so als könne er an diesem Abend selbst nicht fassen, was er da in den vergangenen neun Monaten angestellt, was er bewirkt hat.

Nach der Spielzeit 20/21 ist die Entwicklung des 1. FC Köln für viele Experten tatsächlich unfassbar. Der FC, der Club, der nur hauchdünn dem Abstieg entgangen ist, dessen Spielsystem vorsah, eben das Spiel zu zerstören, der sich auf das Verteidigen so sehr konzentrierte, dass er mitunter vielleicht vergaß, wo sich das gegnerische Tor befand, spielt plötzlich attraktiven Offensivfußball. Und der wird mit einem Namen verbunden: Steffen Baumgart.

Der 50-Jährige lebt Fußball. Das hat er immer, wird er wohl immer, aktuell beim FC. Ob an der Seitenlinie oder in den eigenen vier Wänden – Ruhe und Baumgart? „Das schließt sich eigentlich aus“, sagte FC-Keeper Marvin Schwäbe im GA-Interview mit einem Lächeln im Gesicht. „Das kann man vermutlich nicht in Einklang bringen. Er geht an der Seitenlinie schon ab.“ Tut er. Und das ist aus Kölner Sicht gut so. Baumgart sorgt mit seinem Auftreten, mit seinen lauten Tönen für erstaunlich viel Ruhe rund ums Geißbockheim.

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Foto: dpa/Marius Becker

Diesen Abend im April genießt der Trainer aber. Für einen Moment. Dann holte sich auch der 50-Jährige seinen Jubel ab. „So oft ist uns das nicht passiert, dass wir zwei Derbys so gewinnen, und dann ist es auch mal gut, wenn du als Trainer in die Kurve gehen darfst, weil es genug Situationen gibt, da möchtest du nicht unbedingt hin“, sagte Baumgart damals.

FC-Trainer Steffen Baumgart lebt den Fußball

Der Kölner Trainer hat in der vergangenen Spielzeit deutlich mehr Situationen geschaffen, in denen er in die Kurve hätte gehen dürfen: der erste Derbysieg im November, das 1:0 in Leverkusen, der emotionale 3:2-Erfolg in letzter Sekunde über den FSV Mainz 05 und natürlich die Europa-Qualifikation.

Durch eben jene Erfolge, seine bodenständige, hemdsärmelige Art, aber auch den attraktiven Fußball, den er von seinem Team fordert und meistens bekommt, ist er schon jetzt zur Kultfigur in Köln geworden. Für die Spieler ist er Motivator, Anpeitscher, vor allem aber Entwickler. Für die Anhänger ist er ein Fußball-Fan, einer von ihnen. Baumgart ist kein Trainer der Taktiktafel. Er liebt den Fußball. Er fordert von seinen Spielern das, was er, was die Fans im Stadion sehen wollen: Willen, Leidenschaft und vor allem Tore. Spaß soll der Fußball machen. Nicht mehr und nicht weniger.

Kölns Fußball hat in der vergangenen Spielzeit wieder Spaß gemacht. Nicht immer, aber meistens. Das soll er auch in der kommenden Saison. Doch Baumgart ist eben auch ein Mahner: „Oben ankommen ist das eine, oben bleiben ist aber das Schwierige. Mein Ziel ist es, erfolgreich Fußball zu spielen, um den Verein aus allen Schwierigkeiten herauszuhalten“, sagte der Coach zu Beginn der Vorbereitung. Der Fokus liegt also auf dem Klassenerhalt, der 40-Punkte-Marke. Alles, was dazu kommt, wird dankend angenommen. Darüber gesprochen aber auch erst, wenn es soweit ist.

Der FC hat sich in der Breite des Kaders verbessert

Verdächtig wenig spricht Baumgart über die Conference League, den europäischen Wettbewerb. So, als wäre die Gruppenphase gar kein Thema für die Geißböcke. Ist sie aber. Schon aus wirtschaftlicher Sicht ist ein Überstehen der Playoffs essenziell. Zwar haben die Kölner Verantwortlichen die europäische Gruppenphase bei ihrer Saisonkalkulation außen vor gelassen, alleine die Teilnahme würde dem FC bereits 2,94 Millionen Euro einbringen, jeder Sieg noch einmal 500 000 Euro, jedes Unentschieden 166 000 Euro.

Viel Geld für einen wirtschaftlich so gebeutelten Club. “Egal in welchem Wettbewerb wir auch stehen, für uns geht es immer um die Bundesliga. Das wichtigste ist, diesen Verein in der Bundesliga zu halten“, sagt Baumgart aber. Denn ein Abstieg würde der FC nicht mehr so einfach auffangen können.

Eine schwere Aufgabe, aber eine lösbare. Trotz der Dreifachbelastung bleibt Baumgart gelassen. Er vertraut seiner Mannschaft, er vertraut aber auch seinen Fähigkeiten. Auch der des Entwicklers. Für doch relativ wenig Geld hat der FC frühzeitig einige junge Spieler verpflichtet, die über ein enormes Potenzial verfügen, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.

Sollte Baumgart bei Spielern wie Steffen Tigges, Linton Maina oder Eric Martel die richtigen Stellschrauben drehen, werden sie Köln kurzfristig weiterhelfen können. Dazu kommt die Erfahrung von Kristian Pedersen und Sargis Adamyan. Akteure, die den Kölner Kader in der Breite noch stärker machen. Einzig die möglichen Abgänge einiger Leistungsträger könnten den FC noch einmal zum Handeln bringen.

Doch auch darüber macht sich der Trainer aktuell keine Gedanken. Baumgart lebt im Jetzt, schaut nicht was war oder sein wird. Den siebten Tabellenplatz, die Conference League hat er nie als Trost, viel mehr als Bestätigung seiner Arbeit gesehen. Und mit der ist er beim FC noch nicht am Ende.

„Unser Weg wird nie zu Ende sein. Ich habe zu Beginn meiner Zeit hier gesagt, dass es ganz, ganz viele Ziele mit diesem Verein gibt. Wir haben im vergangenen Jahr einen Vorgeschmack geliefert, was wir hätten haben können.“ Klingt fast so, als wolle Baumgart wieder einen Moment der Stille, des Innehaltens, der Bewunderung seines Teams schaffen.

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