Gegner-Check Das erwartet den 1. FC Köln gegen den VfL Bochum

Analyse | Bochum/Köln · Nach dem Rückschlag im DFB-Pokal gegen den Hamburger SV bietet sich für den 1. FC Köln am Samstag die Chance zur Wiedergutmachung. Gegner VfL Bochum belegt als Aufsteiger einen guten Platz im Mittelfeld. Eine Gegneranalyse.

 Könnten gegen den VfL Bochum wieder gemeinsam für die Kölner im Sturm auflaufen: Anthony Modeste (rechts) und Sebastian Andersson (hier eine Szene aus dem Hinspiel).

Könnten gegen den VfL Bochum wieder gemeinsam für die Kölner im Sturm auflaufen: Anthony Modeste (rechts) und Sebastian Andersson (hier eine Szene aus dem Hinspiel).

Foto: Herbert Bucco

Wahrscheinlich rotieren Steffen Baumgarts Gedanken noch immer bei all der Diskussion um seine Rotation. Gegen den Hamburger SV hatte der Trainer des 1. FC Köln ja sechs neue Spieler in die Startformation beordert, am Ende purzelte der Bundesligist gegen den Zweitligisten durch ein 3:4 im Elfmeterschießen aus dem DFB-Pokal. Natürlich, es gibt gute Gründe, die gegen eine in ihrem Ausmaß extreme „Durchwürfelung“ der Mannschaft gesprochen hätten: die Qualität der Stammkräfte etwa, die eben doch höher anzusehen ist als die der Spieler dahinter, eine größere Harmonie des Stammpersonals, wenig Spielpraxis der Neuen. Andererseits gibt es auch gute Gründe, die Baumgart für sich reklamieren darf. Vor allem: die Stärkung des Zusammenhalts des Kaders und die Stärkung des Einzelnen durch seinen Zuschuss an Vertrauen. Spielpraxis für die Akteure aus der zweiten Reihe gibt es zudem.

Die Diskussion wird sich voraussichtlich noch ein wenig halten. Denn schonen musste der 50-jährige Coach niemanden in diesem für das Renommee und die Finanzen so wichtigen Match gegen den HSV nach erst zwei Spielen in diesem Jahr, und der FC ist nicht in einem internationalen Wettbewerb vertreten. Zudem dürfte die Pause von vier Tagen bis zum nächsten Spiel an diesem Samstag (18.30 Uhr) ausreichend sein, die Akkus wieder aufladen zu können. Inwieweit Baumgart in dieser als Topspiel firmierenden Partie beim VfL Bochum die Rotationsmaschine wieder in Richtung zurück anschmeißt, ist noch nicht geklärt. Dass es erneut Veränderungen geben wird, ist gewiss. Zwar liegt der FC mit zehn Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz und mit Blickrichtung nach oben in der Liga nach wie vor mehr als im Soll. Mit einem Erfolg beim Aufsteiger könnte er den Vorsprung auf den VfL, der derzeit fünf Punkte beträgt, auf acht ausbauen und ihn vorläufig distanzieren.

VfL-Trainer Reis dreht an den richtigen Stellschrauben

Dass der Kult-Club aus dem Ruhrgebiet überhaupt derart komfortabel dasteht, war zu Saisonbeginn so nicht zu erwarten. Nach elf Jahren ununterbrochener Zweitliga-Zugehörigkeit kehrte der Club unter Trainer Thomas Reis erst im Sommer in die Elite-Liga zurück. Ein Lernprozess musste einsetzen. Das Team verlor fünf der ersten sieben Saisonspiele, kassierte unter anderem das 1:2 im Hinspiel in Müngersdorf und ein 0:7-Debakel beim FC Bayern. „Wir haben am Anfang sehr viel Lehrgeld bezahlt", gibt Reis zu. Doch dann gab es Neues im Westen. Inzwischen haben die Bochumer fünf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Trotzdem bleiben sie rund um das Ruhrstadion dabei, den Blick in dieser Saison stets nach unten zu richten. Reis musste offenbar an einigen Justierschrauben etwas kräftiger drehen, um seiner Mannschaft das richtige Rüstzeug und die geeignete taktische Ausrichtung zu verpassen.

War es der VfL in der 2. Liga gewohnt, ähnlich wie der FC jetzt unter Baumgart, mit Vollgasfußball und extrem frühem Pressing die Gegner unter Druck zu setzen, haben sich die Vorzeichen in der Bundesliga gedreht. „Die Mannschaft hatte im Kopf: Mensch, wir sind doch mit aggressivem Pressing und dem Alles-Zustellen aufgestiegen“, sagte VfL-Coach Reis neulich. Das müsse man überwinden und der Mannschaft etwas mitgeben, ohne die Philosophie wegzunehmen. „Aber man musste sich angleichen. Wir haben versucht, kompakter zu stehen und trotzdem eine Art offensives Anlaufen umzusetzen. Das hat in den meisten Fällen wesentlich besser funktioniert.“ Anpassung an die gestiegenen Ansprüche als Erfolgsformel.

Bochum mit beachtlicher Heimstärke

Vor allem im Ruhrstadion präsentiert sich die Reis-Elf mehr als konkurrenzfähig. Zwar hat sie nur eines der vergangenen fünf Ligaspiele gewonnen (gegen Wolfsburg), doch mit fünf Siegen und jeweils zwei Unentschieden und Niederlagen (11:6 Tore) rangiert sie vor dem Duell mit dem FC auf Platz acht der Heimtabelle. Als ein Erfolgsfaktor hat ein bereits 35-Jähriger auf sich aufmerksam gemacht. Ohne Anthony Losilla würden dem VfL Herz, Schrittmacher und Lunge des Spiels fehlen. Mit insgesamt 213 Kilometern riss der defensive Mittelfeldspieler die meisten Kilometer der Liga ab – in diesem fortgeschrittenen Fußballer-Alter. Doch auch der Franzose musste sich an die Gangart auf höherem Niveau erst gewöhnen, mehr sinnvolle und nützlichere Wege machen. Sein Helfersyndrom ablegen. Bei „Toto“ sei es immer so gewesen, berichtete Reis zuletzt, dass er „gefühlt am liebsten hinten den Ball gewinnt, vorn die Flanke schlägt und den Ball dann noch selber reinköpft“. Das habe er dem Dauerläufer versucht abzugewöhnen. Reis sagte zu ihm: „Wenn du es schaffst, mal nicht zwölf Kilometer pro Spiel zu laufen, sondern nur zehn, dann kannst du nach dem Spiel gerne noch für zwei Kilometer in den Wald gehen, um das aufzuholen.“

Ein wenig austoben darf sich Losilla nun schon noch im Wald, denn im Schnitt läuft er 11,2 Kilometer. Doch schafft er es auf dem Platz auch, vermehrt seine Aufgabe wahrzunehmen, die Mannschaft zusammenzuhalten. Nach der Liga-Niederlage in Mainz (0:1) und vor der 3:1-Revanche im jüngsten Pokal-Achtelfinale gegen die Rheinhessen forderte er: „Wir müssen weiter stabil stehen, haben zuletzt gut defensiv gearbeitet.“ Auf der anderen Seite: „Offensiv müssen wir bessere Chancen kreieren und effizienter vor dem Tor sein. Das hat uns in Mainz gefehlt. Wir hatten einige gute Situationen, waren aber nicht konsequent genug“, fasste er zusammen. Im Pokal gegen Mainz klappte das schon einige Male sehr gut.

Polter mit sechs Treffern bester VfL-Torschütze

Einer der Verantwortungsträger in der Bochumer Offensive heißt Sebastian Polter. Als Stürmer nimmt er einen Spitzenplatz in den Statistiken ein. Nicht allein mit seinen sechs Toren für den VfL - kein Kollege hat mehr -, nein, mit seinen 33 Fouls am Gegner liegt er an der Spitze der Liga-Wertung. Die Abhängigkeit vom wuchtigen Torjäger, stets zum Rackern bereit, ist groß. Der rasend schnelle Gerrit Holtmann (2 Tore/5 Vorlagen) dient eher als geeigneter Vorarbeiter. Simon Zoller, neben Elvis Rexhbecaj der zweite Ex-Kölner im VfL-Trikot, fällt nach seinem Kreuzbandriss noch aus. Dennoch warnt Thomas Kessler vor der Samstagspartie: „Der VfL Bochum ist immer ein ernst zu nehmender Gegner, der ein Konkurrent bei der Erreichung unserer Saisonziele ist“, sagte der FC-Lizenzspielerchef. „In Bochum wird sehr gute Arbeit geleistet. Nach einem schwachen Saisonstart hat sich die Mannschaft sehr gut zurückgekämpft. Es wird ein sehr schwieriges Auswärtsspiel.“ Und: „Sportlich wird es ein Gradmesser für uns. Wir müssen eine Topleistung bringen, um etwas Zählbares mitzunehmen.“

Auf erst 17 Treffer bringt es Bochum (0,89 pro Partie), der 1. FC Köln auf immerhin 30 (1,54). Doch im Pokal gegen den HSV fehlte auch den Rheinländern die entscheidende Durchschlagskraft – trotz zahlreicher Chancen. In dieser zerfahrenen Partie trat der FC zunächst dominant auf. Nach dem Wechsel geriet das Spiel zu einem zusehends offenen Schlagabtausch. Insgesamt lag die Baumgart-Elf mit jeweils 52 Prozent in den Kategorien Ballbesitz und Zweikampfquote gegenüber den Hamburgern zwar vorn, zudem hatte sie mit 22 Torschüssen sechs mehr als der Kontrahent aufzuweisen. Am Ende war dies jedoch alles Makulatur. Erst der Elfmetertreffer des eingewechselten Anthony Modeste in der letzten Sekunde der Nachspielzeit rettete sie ins finale Wettschießen vom Punkt. Mit dem bekannt tragischen Ende, als das Geläuf für Florian Kainz im Elfmeterschießen zu weich war und er wegrutschte, der Treffer wegen einer Doppelberührung zu Recht keine Anerkennung fand.

FC-Kapitän Jonas Hector verteidigt Baumgarts Rotation

In puncto Einsatz und Laufbereitschaft war den Kölnern indes kein Vorwurf zu machen. Allerdings stellte sich heraus, dass gerade die neu formierte rechte Seite stark abfiel. Kingsley Ehizibue und der vor ihm agierende Namensvetter Schindler fielen im Gesamtgefüge auffällig ab. „Die sechs Wechsel in der Startelf waren kein Fehler“, betonte Kapitän Jonas Hector und verteidigte damit die Baumgart’sche Rotation, „wir hatten ja auch unsere Chancen. Wenn wir davon eine machen, dann läuft das Spiel anders. Im Endeffekt sind wir über 120 Minuten gegangen und hatten die Möglichkeit, das Spiel zu gewinnen, haben das aber leider nicht getan.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Nur nicht den Mut verlieren
Kommentar zu den kommenden Spielen des 1. FC köln Nur nicht den Mut verlieren
Aus dem Ressort