Gespräch am Wochenende Beueler Schausteller haben seit Dezember keinen Cent verdient

Beuel · Beuel gilt als Schausteller-Hochburg. Doch auch hier leiden Schausteller unter den Auswirkungen durch Corona. Über die Probleme der Volksfest-Branche berichten Romina und Hubert Markmann.

 Die Jahrmarktkulisse „Das Land des Lächelns“ bildet den Eingang zum Historischen Jahrmarkt in Pützchen.

Die Jahrmarktkulisse „Das Land des Lächelns“ bildet den Eingang zum Historischen Jahrmarkt in Pützchen.

Foto: Benjamin Westhoff

Beuel gilt als Schausteller-Hochburg und wird in der Branche bundesweit als Kirmes-Hotspot eingestuft. Das liegt natürlich an Tradition und Strahlkraft von Pützchens Markt, der als einer der umsatzstärksten Fünf-Tage-Jahrmärkte Deutschlands eingestuft wird. Bekanntlich fällt die Großkirmes in diesem Jahr wegen der Folgen der Corona-Pandemie aus. Weil nahezu alle Jahrmärkte bundesweit abgesagt worden sind, entwickelt sich das Jahr 2020 für die Berufssparte zu einer wirtschaftlichen Katastrophe. Am Beispiel der Beueler Schaustellerfamilie Markmann zeigt der GA auf, in welche finanziellen Turbulenzen ein Unternehmen geraten kann und welche Ideen man entwickeln muss, um nicht Insolvenz anmelden zu müssen. Mit Romina und Hubert Markmann sprach Holger Willcke.

Hand aufs Herz: Wie viel Umsatz hat Ihr Unternehmen in diesem Jahr erwirtschaftet?

Hubert Markmann: Die Zahl ist nicht der Rede wert. Viel aussagekräftiger ist, dass wir seit dem Bonner Weihnachtsmarkt 2019 keinen Cent verdient haben. Stattdessen aber Unkosten zu Buche stehen haben. Alle gebuchten Veranstaltungen sind ausgefallen.

Wie viele Volksfeste besuchen Sie in einem Kalenderjahr?

Romina Markmann: Mit unseren sechs Fahrgeschäften sind wir auf 60 bis 80 Märkten unterwegs. Hinzu kommt noch der Bonner Weihnachtsmarkt.

Wie haben Sie auf die Absagen reagiert?

Hubert Markmann: Wir haben nach Bekanntgabe des Lockdowns innerhalb von nur acht Tagen das gesamte Unternehmen heruntergefahren.

Was bedeutet das in der Praxis?

Romina Markmann: Wir haben mit unseren Banken und Versicherungen gesprochen und haben alle Kredite und Verträge auf ruhend gestellt. Unsere 54 Fahrzeuge haben wir sofort abgemeldet. Das Finanzamt hat uns auch die Umsatzsteuervorauszahlung wieder zurücküberwiesen.

Haben Sie einen Überbrückungskredit benötigt?

Hubert Markmann: Wir haben 9000 Euro Soforthilfe erhalten und haben bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau 500 000 Euro beantragt und bekommen. Diese Summe müssen wir natürlich zurückzahlen. Wir haben von allen Partnern Unterstützung erhalten, weshalb wir sehr dankbar sind.

Wie steht es um andere Unternehmen in Ihrer Branche?

Hubert Markmann: Einige haben bereits Insolvenz angeldet, andere haben ihr ganzes Tafelsilber verscherbeln müssen, um zu überleben. Und wiederum andere haben ihre Lebensversicherung verkauft.

Städte wie Düsseldorf, Dortmund, Düren und Euskirchen haben für Schausteller und Kirmesfreunde besondere Veranstaltungsformate entwickelt. Waren Sie dort vor Ort?

Romina Markmann: Ja, wir haben mit unserem Fahrgeschäft Octopussy am Düsselland teilgenommen. Aber das Konzept des Veranstalters stieß nicht auf große Gegenliebe bei den Besuchern. Wir haben dort ein Minus von ungefähr 10 000 Euro erwirtschaftet.

Lange Zeit hat sich in Bonn das Gerücht gehalten, dass die Stadt auch eine Art „Püma-Light“ auf den Marktwiesen anbieten wird. Was hätten Sie davon gehalten?

Hubert Markmann: Gar nichts. Wir Schausteller haben das untereinander besprochen. Wir haben uns mit den Vereinen und den Anliegern solidarisch erklärt nach dem Motto: Entweder dürfen alle an den Start oder niemand. Damit war die Diskussion darüber beendet.

Im März wurde Ihr eigenes Format namens „Pützchens Historischer Jahrmarkt“ einen Tag vor Eröffnung von der Stadt Bonn wegen der Folgen der Corona-Pandemie abgesagt. Hat Sie das hart getroffen?

Hubert Markmann: Natürlich. Die Transport- und Aufbaukosten sind angefallen. Meine Kollegen und ich haben alles aufgebaut gelassen, weil wir im März die Hoffnung hatten, irgendwann in diesem Jahr an den Start zu dürfen.

Fast ein halbes Jahr später haben Sie die Genehmigung erhalten. Wie kommt das?

Romina Markmann: Wir hätten schon im Juli eröffnen dürfen, aber die Zeit war noch nicht reif für so eine Veranstaltung. Wir mussten ein umfangreiches Hygienekonzept ausarbeiten und vorlegen. Die Stadt Bonn hat die Unterlagen geprüft und die Genehmigung erteilt.

Warum haben Sie sich für den Zeitraum 28. August bis 20. September entschieden?

Hubert Markmann: Weil in diese Zeitspanne auch der 653. Pützchens Markt gefallen wäre. Wenn die Bonner schon nicht auf Püma gehen können, dann wenigstens jetzt auf den Historischen Jahrmarkt – auch wenn man beide Angebote kaum vergleichen kann.

Welche Hygieneauflagen müssen die Besucher erfüllen?

Romina Markmann: Sie müssen am Eingang ein Formular zwecks Nachverfolgung ausfüllen, einen Mund-Nasen-Schutz tragen, sich die Hände am Eingang desinfizieren, sich an die vorgeschriebenen Laufwege halten und die rot-weißen Flatterbänder als Absperrungen akzeptieren. An den Getränke- und Verzehrständen dürfen die Masken für Essen und Trinken abgenommen werden.

Gehen Sie davon aus, dass 2021 Pützchens Markt stattfinden wird?

Hubert Markmann: Da bin ich fest von überzeugt. Bis dahin werden wir einen Impfstoff gegen das Coronavirus haben und die Lage wird sich normalisiert haben.

Und wenn nicht?

Romina Markmann: Darüber möchte ich jetzt gar nicht nachdenken. Das würde für viele Schaustellerbetriebe das Aus bedeuten.

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