Dritte Pleite in Folge FC-Trainer Baumgart ruft den Abstiegskampf aus

Bonn · Nur ein Punkt aus den vergangenen fünf Spielen – der 1. FC Köln muss sich weiter nach unten orientieren. Die lange Pause kommt zur rechten Zeit.

Sinnbildlich: Kölns Trainer Steffen Baumgart konnte mitunter nicht mehr hinsehen im Berliner Olympiastadion.

Sinnbildlich: Kölns Trainer Steffen Baumgart konnte mitunter nicht mehr hinsehen im Berliner Olympiastadion.

Foto: dpa/Soeren Stache

Ein Abwehrspieler wäre nach einer solchen Szene den emotionalen Gratulationen seiner Kollegen wahrscheinlich hilflos ausgeliefert gewesen. Einen solchen Ball noch von der berühmten Torlinie zu kratzen und in einer sehr bemerkenswerten Flugkurve über das Tor zu schlenzen, zeugt von großen Fähigkeiten. Ein bisschen Glück darf dabei natürlich nicht fehlen. Nun aber ist Sargis Adamyan von seinem Stellenprofil her kein Abwehrspieler, er ist Stürmer, und ihm ist am Wochenende bei der Arbeitsausübung eben genau das unterlaufen, was einem Stürmer auf diesem Niveau eben nicht unterlaufen sollte, in dem der ein solches Kunststück abliefert. Der Ball, geschossen drei Meter vor dem leeren Tor, ging also drüber und nach dem Spiel im Inneren dieses imposanten Olympiastadions in Berlin seine Laune spürbar runter. Mit fehlendem Glück ist das nicht zu erklären.

Bei der Analyse der Szene stockte ihm ein wenig die Stimme, sein Blick leer. „Ich dachte, dass das nicht sein kann“, sagte der Armenier, auf dessen schon jetzt berühmten Fehlschuss sich die Spötter im Fußballvolk in den Jahresrückblicken schon freuen dürften, es sei schwer zu erklären, fuhr er entnervt fort, Linton (Maina, d. Red.) spielt einen super Ball, der titscht leicht auf, und ich treffe ihn nicht richtig, eher ein wenig mit dem Spann – und dann geht er halt über das Tor“. Es sind solche Momente, die ein Spiel kippen lassen - oder eben nicht. Es kippte nicht zugunsten des 1. FC Köln, der zu diesem Zeitpunkt bereits zurücklag in der wichtigen Partie bei Hertha BSC. Dass Adamyan eine weitere Großchance in der sehr ordentlichen und dominanten ersten Hälfte bei der am Ende verdienten 0:2-Niederlage wie sein Vorlagengeber Maina vergab, zeugte erneut von der Abschlussschwäche der Kölner Stürmer.

Adamyans unglaublicher Fehlschuss

Adamyans unfassbare Aktion veranlasste natürlich auch seinen Trainer, sich darüber zu äußern. Er habe auch Vergleichbares erlebt, „ja, als ich Stürmer war“, sagte Steffen Baumgart, immerhin einer, der seinen Humor nicht verloren hatte. „Wir müssen die Szene nicht auswerten. Das Ding muss rein, das weiß er. Wir ärgern uns darüber, machen aber keine große Sache daraus.“ Eine große Sache wäre es zumindest gewesen aus Sicht der Kölner, hätte der FC mal wieder ein Spiel drehen können, nachdem er erneut früh in Rückstand geraten war. Zumindest in dieser Statistik ist die nach zuletzt nur einem Punkt aus fünf Spielen und drei Niederlagen in Folge auf Platz 13 abgerutschte Baumgart-Elf führend. Nur noch drei Punkte trennt sie vom Relegationsplatz, vier von einem direkten Abstiegsrang.

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Foto: dpa/Marius Becker

Zwölf Rückständen liefen die Kölner mit großem Aufwand hinterher, holten dann noch zwölf Punkte (drei Siege, drei Remis in zwölf Spielen). Allein: In Berlin reichte es nicht, da schlicht nach der Pause das intensive Gehen auf dem berühmten Zahnfleisch allen FC-Akteuren gemein war. „In der zweiten Hälfte haben wir es nochmal probiert“, sagte Baumgart, „aber heute hat uns die Kraft gefehlt und die geistige Frische. Die Jungs sind platt, das hat man besonders in der zweiten Hälfte nochmal gespürt.“ Und, noch mal etwas zur Erheiterung: „Der einzige, der relativ fit war, war ich.“

FC steckt in der Mini-Krise

Die Winterpause wurde ja schon sehnlichst erwartet, doch dass die Kölner nun in jene mit schwerem Gepäck gehen, sollte selbstredend vermieden werden. Erst in mehr als zwei Monaten wird die Saison fortgesetzt, der FC trifft am 21. Januar auf Werder Bremen. Zeit genug, die Speicher wieder aufzuladen und sich Gedanken zu machen, wie der Weg aus der, ja, man muss es so sagen, Mini-Krise gefunden werden kann. Denn eines steht fest: Das neue Jahr soll und sollte neues Glück bringen, wenn das Souterrain der Tabelle nicht zum Dauerstandort werden soll. „Nächstes Jahr greifen wir wieder an“, sagte Maina, der trotz der fast punktlosen Zeit keine Selbstvorwürfe erheben will. „Von den vergangenen Spielen, die wir verloren haben, hätten wir das eine oder andere auch gewinnen können. Wir haben viele Spiele in den Knochen, die Pause wird uns allen guttun.“

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Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Keine Frage, die Müdigkeit ist der eine Kern der augenblicklichen Notlage. „Bei vielen Clubs sind die Spieler durch. Bei den vielen Terminen hat man das Gefühl, man ist im Showgeschäft und nicht mehr im Fußball“, sagte Baumgart. „Aber wir müssen das so annehmen und stehen wieder auf.“ Doch die Probleme sind auch anders gelagert. Der FC stellt die drittschlechteste Abwehr der Liga (29 Gegentore), nur der VfL Bochum (36) und Schalke 04 (32) auf den beiden Abstiegsplätzen haben noch mehr Gegentreffer hinnehmen müssen. Waren es zuvor überwiegend individuelle Fehler, die den Kölner das Leben schwermachten, gesellt sich nun auch kollektives Fehlverhalten hinzu. Einen Einwurf der Berliner sahen sie sich nicht in der Lage, sachgerecht zu verteidigen beim 0:1 durch Wilfried Kanga (9.). Ein ähnliches Malheur war ihnen schon beim 0:2 gegen Freiburg unterlaufen. Zwei gleich geartete Fehler sollten auf diesem hohen Niveau nicht passieren. „Wir hatten zwei, drei richtig gute Möglichkeiten, die wir nicht nutzen, und kriegen dann eigentlich genau das gleiche Gegentor wie in Freiburg“, äußerte sich Kapitän Jonas Hector verärgert. „Das ist ein bisschen zu billig.“

Baumgart-Team will neue Kräfte sammeln in der Pause

Die Folgen der aneinandergereihten und folgenschweren Missgeschicke lassen sich nun in der Tabelle ablesen. „Wir hätten mehr Punkte haben können, haben wir aber nicht – und deswegen stehen wir da, wo wir stehen, und das bedeutet Abstiegskampf. Alles andere wäre Augenwischerei”, sagte Baumgart. Die Pause ist überfällig. „Es ist jetzt wichtig, dass wir Ruhe kriegen. Wir müssen konzentriert in die Rückserie gehen – dann auch mit der geistigen Frische.“

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