Interview mit FC-Profi Jan Thielmann „Ich wünsche mir noch mehr Ruhe vor dem Tor“

Köln · Jan Thielmann gilt als eins der größten Talente des 1. FC Köln. Mit 20 Jahren kommt der Offensivmann bereits auf 73 Pflichtspiel-Einsätze für den FC. Im Interview äußert sich der U21-Nationalspieler über seine Pläne mit den Geißböcken, sein großes Vorbild Jonas Hector und seine Schwächen.

1. FC Köln: Jan Thielmann im Interview
Foto: Herbert Bucco

Die Bilanz ist beeindruckend: 73 Pflichtspiele hat Jan Thielmann für den 1. FC Köln absolviert. Dem 20-Jährigen trauen die Kölner Verantwortlichen um Trainer Steffen Baumgart eine große Karriere beim FC zu. Ganz nebenbei bestand der Offensivmann im vergangenen Jahr noch sein Abitur. Über seine Zukunft beim 1. FC Köln, die Pläne für den kommenden Sommer, aber auch seine Schwächen sprach Jan Thielmann mit Simon Bartsch.

Herr Thielmann, das Erreichen der Conference League, viel Einsatzzeit beim FC, ihr Debüt in der U21, das erste Tor gegen San Marino, nebenbei noch das Abitur – das muss eine aufregende Saison für Sie gewesen sein.

Jan Thielmann: Für mich war es ein durchweg positives Jahr. Wir hatten mit der Mannschaft während der Saison nie längere Schwächephasen und sind nach Spielen, die nicht so gut waren, immer direkt zurückgekommen. Auch persönlich lief es gut, wie zum Beispiel mit dem Debüt in der U21. Es war einfach ein gutes Jahr, aus dem man unheimlich viel Positives mitnehmen kann.

Sie blicken schon jetzt auf drei spannende Jahre beim FC zurück - das Debüt 2019, das erste Tor gegen Wolfsburg, der Siegtreffer gegen Schalke – welches Spiel ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Thielmann: Es gibt einige Spiele, die für mich besonders waren. Das Debüt damals gegen Leverkusen war für mich ein atemberaubendes Erlebnis. Aber auch mein erster Siegtreffer für den FC ist mir in Erinnerung geblieben. Ein Tor im eigenen Stadion vor 50 000 Zuschauernist immer besonders emotional. Es gab schon viele schöne Momente.

Sie sind gerade einmal 20 Jahre alt und kommen schon auf 73 Pflichtspiel-Einsätze für den FC. Am Ende der Saison könnten Sie in der FC-Rekordspieler-Liste ehemalige FC-Profis wie Bernd Schuster oder Patrick Helmes überholen, theoretisch die Top-100 knacken. Sind das Zahlen, die Sie interessieren?

Thielmann: Es ist einfach gut und wichtig, wenn man in so jungen Jahren schon so viele Spiele machen und viel Erfahrung sammeln kann. Das bringt einen auf jeden Fall weiter. Wenn man zum Beispiel in so massive Drucksituationen gerät, wie in der vergangenen Saison mit der Relegation, ist das absolut lehrreich. Rekorde und Zahlen sind schön, aber ich setze mir kein Ziel was das angeht.

Der Kadercheck des 1. FC Köln
31 Bilder

Der Kadercheck des 1. FC Köln

31 Bilder
Foto: Herbert Bucco

Eine andere Zahl ist Ihr geschätzter Marktwert. Der hat sich laut Online-Portal transfermarkt.de fast verdoppelt. Sie gehören demnach zu den wertvollsten Spielern des Vereins und das mit 20 Jahren, liegen mit Dejan Ljubicic und Timo Hübers gemeinsam auf Rang zwei...

Thielmann: Das ist eine schöne Bestätigung und zeigt, dass meine Leistungen stimmen und ich mich entwickelt habe. Mehr aber auch nicht. Ich muss weiter an mir arbeiten.

Im April tauchten dann Gerüchte um ein Interesse von Arsenal London auf. Ganz offensichtlich ohne seriöse Quelle. Was haben Sie in dem Moment gedacht?

Thielmann: In der Mannschaft wurden schon ein paar Witze gemacht. Da war aber nichts Ernstes dran. Das nehme ich sehr locker.

Ihre Entwicklung ist aber dennoch international aufgefallen. Sie wurden für den Golden-Boy-Award nominiert. Was machen solche Auszeichnungen in dem Kopf eines 20-Jährigen?

Thielmann: Das ist schon eine besondere Ehre. Ich freue mich, dass ich nominiert worden bin. Das zeigt aber auch, dass wir als Mannschaft eine überragende Saison gespielt haben. Es ist immer einfacher auf einer Erfolgswelle zu schwimmen, als wenn es nicht so gut läuft.

Wie erwähnt, haben Sie in der vergangenen Saison ihr Debüt in der Nationalmannschaft der U21 gegeben und hoffen nun auf die EM-Teilnahme. Das erinnert sehr an die Karriere von Salih Özcan. Sind Sie ebenfalls bereit für die A-Nationalmannschaft?

Thielmann: Für mich ist es wichtig, eine gute Saison mit dem FC und anschließend eine positive EM mit der U21 zu spielen. Dass es geht, haben schon viele vorgemacht und auch für mich ist der Weg in die Nationalmannschaft ein Traum. Aktuell konzentriere ich mich aber erst einmal auf andere Aufgaben.

So lange laufen die Verträge der Profis des 1. FC Köln
30 Bilder

So lange laufen die Verträge der FC-Profis

30 Bilder
Foto: dpa/Marius Becker

Sie haben im vergangenen Jahr das Abitur gemacht. Wie ist die Doppelbelastung Schule und Leistungssport miteinander vereinbar?

Thielmann: Alle, sowohl meine Familie als auch der FC, haben mich enorm unterstützt. Auch meine Trainer haben es befürwortet und hatten Verständnis, wenn ich Einheiten auslassen musste, um Prüfungen zu schreiben. Auf der anderen Seite gab es das Entgegenkommen der Schule, wenn ich wegen des Trainings fehlte.

In der kommenden Saison wird es dann aber sogar eine Dreifachbelastung geben…

Thielmann: Erst einmal müssen wir uns qualifizieren. Wir werden schon alles daransetzen, die Gruppenphase der Conference League zu erreichen. Wenn uns das gelingt, bin ich sicher, dass uns das Trainerteam sehr gut darauf einstellt.

Mittlerweile sind einige neue, junge Spieler dabei, Sie waren auch mal in dieser Rolle. Treten Sie mittlerweile als Tippgeber auf?

Thielmann: Es gibt schon das ein oder andere, bei dem ich ihnen helfe. Ich kenne das ja noch aus meinem ersten Trainingslager bei den Profis: Man schaut erst einmal, was die älteren Spieler machen und guckt sich bei ihnen das ein oder andere ab.

Ältere Spieler wie Jonas Hector. Sie beschreiben ihren Kapitän als eins Ihrer Vorbilder. Er ist Defensivspieler, Sie fühlen sich in der Offensive wohl. Wie passt das zusammen?

Thielmann: Er ist als Persönlichkeit ein Vorbild. Er bedeutet viel für den FC und hat auch in der Nationalmannschaft sehr erfolgreich gespielt. Er ist einfach eine Person, zu der wir alle aufschauen können und als Typ mein Vorbild.

Der FC hat sechs Spieler verpflichtet. Sehen Sie in den Neuzugängen starke Konkurrenz?

Thielmann: Gerade in der Offensive haben wir sehr starke Konkurrenz bekommen, aber genau davon lebt unsere Mannschaft. Konkurrenzkampf ist immer gut und hilft jedem von uns weiter. Unabhängig davon muss ich hart arbeiten und mich weiterentwickeln.

Sie haben damals unter Markus Gisdol Ihr Debüt gefeiert und ein extremes Vertrauen erhalten. Jetzt, unter Steffen Baumgart, scheint das nicht anders zu sein. Als Trainertyp wirken die beiden nach außen höchst unterschiedlich. Welcher Trainertyp liegt Ihnen mehr?

Thielmann: Mir kommt das aktuelle Spielsystem extrem entgegen. Wir spielen sehr offensiv, suchen den direkten Weg zum Tor. Mir liegt auch die hohe Intensität. Unter Markus Gisdol waren aber auch Willen, Laufbereitschaft und Intensität entscheidend. Bei beiden bin oder war ich gut aufgehoben.

Steffen Baumgart lobt Sie aber immer wieder in höchsten Tönen. Und das, obwohl er nur selten einzelne Spieler hervorhebt. Was macht das mit Ihnen?

Thielmann: Lob vom Trainer ist immer gut (lacht). Es zeigt, dass sich die Arbeit auszahlt.

Er beschrieb ihre Grätsche gegen Dortmund als einen der „geilsten Momente der Saison“. Ihr Defensiv-Wert bei Fifa 22 ist aber unglaublich schlecht. Ärgert Sie das? Oder anders gefragt: Muss der bei Fifa 23 angepasst werden?

Thielmann: In Fifa bin ich nicht sonderlich gut, weil ich nicht oft spiele. Meine Kollegen ziehen mich aber schon damit auf, dass meine Werte zu schlecht seien und, dass ich mich schnell verbessern soll.

Im Ernst, wo sehen Sie denn wirklich bei sich noch Entwicklungspotenzial?

Thielmann: Es gibt überall Verbesserungspotenzial. Sowohl bei den Stärken als auch Schwächen. Ich wünsche mir ein bisschen mehr Ruhe vor dem Tor und muss mit noch mehr Überzeugung agieren.

Sie gelten als Familienmensch. Ihre Familie berät Sie auch in Ihrer Karriere. Gibt es da auch schon mal heftigere Diskussionen?

Thielmann: Natürlich gibt es die bei uns auch, wie in jeder Familie. Aber selten über Fußball. Wenn wir über Fußball sprechen, dann reden wir Klartext. Dann wird mir auch schonmal gesagt, wenn ich schlecht gespielt habe.

Wie können Sie die ereignisreiche Saison 2021/22 noch steigern? Sie persönlich, aber auch der FC?

Thielmann: Die letzte Saison ist abgeschlossen, die neue fängt bei Null an. Wir müssen schauen, dass wir eine erfolgreiche Runde spielen. Wir wollen früh unsere Punkte holen und auf die Bundesliga konzentrieren, dann kommen Dinge wie der europäische Wettbewerb. Wir trainieren sehr intensiv, um einen positiven Start hinzulegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort