Die Stärke des 1. FC Köln Warum der 1. FC Köln im Schlussspurt so stark ist

Köln · Der 1. FC Köln ist der erfolgreichste Verein der Bundesliga – wenn es darum geht, einen Rückstand in Punkte umzuwandeln. Aufgeben kommt nicht vor in der DNA von Trainer Baumgart und dem Team. Das zahlt sich aus.

Traf zuletzt gegen Union Berlin zum späten 2:2-Endstand: Anthony Modeste.

Traf zuletzt gegen Union Berlin zum späten 2:2-Endstand: Anthony Modeste.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Sich zu verstellen, nein, das entspricht nicht dem Naturell Steffen Baumgarts. Geradlinigkeit und Ehrlichkeit zählen zu seinen hervorstechenden Eigenschaften. Ein vorzeigbares Foto-Lächeln ist ihm hingegen nicht gegeben. Und er sieht auch gar nicht ein, sich für den Fotografen eines zwanghaft ins Gesicht zu zaubern. Aus seiner Sicht wäre jeder Versuch in diese Richtung untauglich, seinem doch üblicherweise recht bärbeißigen Ausdruck seines Antlitzes etwas mehr Frische zu verleihen. Zumindest auf Fotos. „Mein Gesicht ist nun mal mein Gesicht“, sagte der Cheftrainer des 1. FC Köln gerade in einem Interview mit dem Magazin „11 Freunde“. Er findet, dass es „komisch aussieht, wenn ich auf Kommando grinse“. Das bekommt er nicht ohne Weiteres hin.

Hin und wieder sogar wird die Annahme enttäuscht, dass vermeintlich erfreuliche Situationen ein reflexartiges Lachen bei Baumgart auszulösen vermögen. So ähnelte sein Gesichtsausdruck in der Partie gegen Union Berlin nach dem späten 2:2-Ausgleich eher dem eines Kutter-Kapitäns in einem Orkan. Es lag jedoch nicht an Anthony Modestes Mützenklau nach seinem Treffer, mit dem er seinen Trainer zum Tobenden werden ließ. Es hatte dem 49-Jährigen nicht gefallen, dass die FC-Fans nach dem 1:2-Rückstand gegen die Köpenicker eher den Pfiffen zugeneigt waren, denn der Anfeuerung.

FC holt acht Punkte nach Rückstand

Tatsache aber war, was Baumgart in diesem Moment völlig gleich zu sein schien, dass seine Mannschaft mal wieder einen Rückstand aufgeholt hatte. Eigentlich ein Grund zur Freude, obschon es Baumgart natürlich gelegener käme, seine Mannschaft wäre nicht erst derart regelmäßig zur Aufholjagd gezwungen. Aber immerhin: sein Team führt die Tabelle der Bundesliga an – wann hat es das zuletzt gegeben. Zumindest lässt der FC in der Rubrik Comeback-Qualität, wie es in der Sportsprache heißen muss, alle Konkurrenten hinter sich. Ja, er liegt tatsächlich vorn, holte er doch zwei Siege und zwei Unentschieden aus sieben Partien, in denen er in Rückstand geriet. Lediglich drei Spiele gingen anschließend verloren. Die Kölner verwandelten ein 0:1 gegen Hertha BSC am ersten Spieltag ebenso in einen 3:1-Erfolg wie in der Partie gegen Greuther Fürth. Gegen Bayer Leverkusen nach einem Zwei-Tore-Rückstand – und Union schafften sie jeweils ein 2:2. Mit diesen acht Punkten belegt die Baumgart-Elf Platz eins in dieser Rangliste nach elf Spieltagen, gefolgt von Union Berlin und Eintracht Frankfurt mit je fünf Punkten.

Diese beiden Mannschaften haben jedoch nicht so häufig hinten gelegen wie der FC, was nicht zu der Annahme führen sollte, dass er in dieser Bilanz die Top-Position einnimmt, weil er häufiger die Gelegenheit zum Aufholen hatte. Sowohl Hertha und der FC Augsburg als auch der VfB Stuttgart und Arminia Bielefeld standen sieben Mal vor der Aufgabe, einen Rückstand zumindest auszugleichen, fuhren aus dieser Situation jedoch lediglich drei respektive zwei Punkte ein. Des Trainers Forderung scheinen die Profis längst in ihr genetisches Erbgut eingelagert zu haben. „Ich will sehen“, sagte Baumgart, „dass die Jungs immer dranbleiben, den Mut haben weiterzuspielen und zurückzukommen.“

Kölner erzielen fünf Treffer in den letzten 15 Spielminuten

Die Kölner „Spätentwickler“ scheinen immer in der Lage, auch in der Endphase einer Partie noch zum Gegenschlag ausholen zu können. Fünf Treffer erzielten sie in der Schlussviertelstunde. Aufgeben, das ist weder für den Trainer noch die Spieler eine geeignete Option. In der letzten Viertelstunde sei die Mannschaft „wirklich gut“, lobt Sportchef Jörg Jakobs. „Da bringen wir Sachen auf den Platz, die andere nicht bringen. Das ist der Ansatz des Trainers: bis zum Schluss dran glauben und alles reinwerfen.“ Doch nicht nur der Glaube leitet das Team, die starke Schlussoffensive basiert gleichfalls auf einer vorbildlichen Fitness. Ohne die wäre auch ein noch so starkes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten Makulatur.

Zutrauen sollte die Mannschaft auch im kommenden Auswärtsspiel gegen den FSV Mainz 05 (Baumgart: „Seit dem Trainerwechsel eine der stabilsten und besten Mannschaften“) auf den Platz bringen. Gegen diesen zähen Gegner schafften es die Kölner zuletzt vor mehr als fünf Jahren, nach einem Rückstand noch einmal zurückzukommen. Sie mussten einem 0:2-Rückstand hinterherlaufen – und taten das eindrucksvoll. Der Treffer zum entscheidenden 3:2 fiel acht Minuten vor dem Ende. Torschütze: Anthony Modeste. Zum Schiebermützendieb avancierte er danach gleichwohl nicht. Sein damaliger Trainer trug Kappe: Peter Stöger.

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