Kölns Trainer im Porträt FC-Coach Steffen Baumgart ist der Vater des Erfolgs

Köln · Steffen Baumgart musste immer kämpfen, auch Rückschläge einstecken: als Profi, als Trainer. Seiner Arbeit als Coach des 1. FC Köln kommt das zugute.

 Markanter Coachingstil: FC-Trainer Steffen Baumgart gibt am Spielfeldrand Anweisungen.

Markanter Coachingstil: FC-Trainer Steffen Baumgart gibt am Spielfeldrand Anweisungen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Es fällt erstmal nicht leicht, ein leeres Word-Dokument mit sinnvollen Zeilen über Steffen Baumgart zu füllen, wenn einen die Zeitungsseiten mit Geschichten, Interviews und Kommentaren über Steffen Baumgart nur so umzingeln. Zu viele Eindrücke. Zu viele Reize. Seit einem Jahr ist Baumgart jetzt Trainer beim 1. FC Köln, und was wurde nicht schon alles über ihn berichtet. Das Jahr war vollgepackt mit Bildern Baumgarts, in allen Lebenslagen. Mal ganz spontan: Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an ihn denken: die Schiebermütze mit der „72“ darauf, die stoffbefreiten Arme bei frostigen Temperaturen am Spielfeldrand, sein Coachen in gehockter Haltung, das dem HB-Männchen Bruno kurz vor dem Abflug zur Ehre gereicht? Oder doch die lustigen Videos wie dieses, das ihn beim Home-Coaching zeigt, mit Unterstützung seines Hundes Jory, oder jenes, das ihn als Campingplatz-Betreiber im Unterhemd präsentiert? Oder die drolligen Scharmützel um die Mütze mit Anthony Modeste?

Es ist ein Karneval aus Zitaten und Szenen, der da mit Blick auf Baumgart in kürzester Zeit entstanden ist. Ein knallbuntes Jahr wie im Konfettirausch, das neben aller Farben auch relevante Resultate brachte – schwarz auf weiß. Der FC hat sich gewandelt von einem am Abgrund wandelnden Club zu einem ernstzunehmenden Bundesligisten, der den Respekt aller Gegner genießt. Selbst die Anerkennung im Land ist ihm gewiss, nicht nur durch das Erreichen der Playoffs zur Conferene League, sondern insbesondere durch die Art der spielerischen Ausdrucksweise der Mannschaft. Zwar gibt es auch hier und da die notorischen Nörgler und Lästerer wie Ex-Nationalspieler Mario Basler, der „es nicht mehr sehen“ konnte, wie Baumgart da unentwegt langtigert an der Seitenlinie. Er gehört aber zu den wenigen Ausnahmen, die Baumgarts Eigenheiten nicht schätzen.

Baumgart, 50, ist auf dem besten Weg, zum Gesicht der Kölner zu werden. Zwar wirkt die Metapher etwas abgegriffen bei der Schwemme ihrer Nutzung und bei all den Gesichtern in der Bundesliga. Doch auf den FC-Trainer trifft sie erkennbar zu. Baumgart hat sich zur Galionsfigur des schweren und schlingernden FC-Dampfers der vergangenen Jahrzehnte entwickelt und ihn, wenn man so will, in ein Schnellboot verwandelt. Die Frage stellt sich: Wie war das möglich?

Entscheidend für den Erfolg einer Mannschaft ist das Zusammengehörigkeitsgefühl

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Foto: dpa/Marius Becker

Ein Blick zurück in den vergangenen Sommer lässt bereits erahnen, dass es nicht nur die sportliche Qualität der Spieler ist, die dem Trainer zur Umsetzung seiner Vorstellungen wichtig ist, sondern ebenso ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl. Baumgart hatte geladen zu einer Grillparty am Geißbockheim. Neben den Profis und dem Funktionsteam fanden sich da deren Frauen und Lebensgefährtinnen und Kinder ein. Auch einige Hunde waren dort, was Hundefreund Baumgart ebenfalls gefreut haben dürfte. Eine Familienzusammenführung auf kölsche Art beim FC, dem das Gefühl der Einheit auf manchen Ebenen zuvor mitunter abhandengekommen war. „Uns ist wichtig, dass sich bei uns alle wohlfühlen, inklusive ihrer Familien“, hatte Lizenzspielleiter Thomas Kessler damals gesagt. „Denn wenn es den Familien gut geht, dann geht es auch den Spielern gut, und dann können sie bei uns die beste Leistung zeigen.“

Eine erfolgreiche Mannschaft, so steht es in der Fußball-Fibel, ist immer mehr als die Summe ihrer Einzelteile. So ist auch für Baumgart ein gesunder Teamgeist unerlässlich für die Verwirklichung der Ziele, die in Köln, wie er kürzlich dem GA sagte, „immer hoch waren“. Er ließ durchblicken, dass sie wahrscheinlich auch höher waren als der vor der Saison offiziell ausgerufene Platz zwölf. Am Ende stand Platz sieben. Am Anfang, das unterscheidet den gebürtigen Rostocker nicht sonderlich von seinen Kollegen, stand allerdings die Arbeit. Wahrscheinlich in einer solchen Intensität, wie sie die meisten Akteure der Kölner zuvor nicht erlebt hatten. Da ist auch einiges an Überzeugungsarbeit gefragt, Vertrauensaufbau, um diesen Baumgartschen Ansatz durchzusetzen. Bei einigen Profis hat die Leidenschaft des Trainers für diesen bedingungslosen, auf Aktivität ausgerichteten, gleichsam risikobehafteten Fußball sicherlich Leiden geschafft. Am Ende des gemeinsamen Weges, den Baumgart immer wieder hervorhob, zahlte sich das gegenseitige Vertrauen aus.

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Foto: dpa/Federico Gambarini

„Gerade nach der letzten Saison war es wichtig, diesen Fußball von Steffen umzusetzen“, sagte etwa Feingeist Mark Uth, dem die Zunge anfangs erkennbar weit aus dem Halse ragte. „Wir sind sehr dankbar, dass er und sein Trainerteam so hart an uns und mit uns gearbeitet haben. Wir freuen uns alle sehr. Er hat uns von Anfang an gesagt, dass wir stark genug sind. Davor ziehe ich den Hut.“ Die Kabine weiß der Trainer hinter sich, hat die Spieler auf wundersame Weise überzeugt von seiner Anschauung und Spielidee. „Das Wichtigste“, sagte Baumgart dieser Zeitung über die Interaktion mit den Spielern, sei „Vertrauen. Und es ist die tägliche Arbeit. Auch Gespräche gehören dazu. Wir haben schnell geklärt, was jeder vom anderen will. Deswegen war die Überzeugung relativ schnell da.“

Steffen Baumgart ist ein Fußballlehrer der alten Schule

Vertrauen, Überzeugung, Arbeit – das sind die Attribute, die Baumgart in seinem Berufsethos vereint. Und seine Erwartungen versteckt er auch nicht verschämt unter seiner Schiebermütze, er spricht sie offen aus. Wer nichts erwartet, wird nie enttäuscht, heißt es. Wer Baumgart erlebt, ahnt, dass er einer solchen Haltung nicht viel abgewinnen kann. Sie würde ihm viel nehmen von dem Elan, der ihn ebenso auszeichnet wie seine Lebensfreude – und die Vorfreude aufs nächste Spiel. In einer Welt, deren Glamour und Glitzer er nicht unbedingt etwas abgewinnen kann. Er ist ein Fußballlehrer der alten Schule, ein pragmatischer Typ, kein „Erklärbär“, wie er jüngst im „Spiegel“ verlautete. Der ständige Blick auf den Laptop, das Tragen von Headsets an der Seitenlinie zum Austausch mit den Analysten ist sein Ding nicht. Er ist ein Anpacker, der sich nicht verbiegen lässt, ein Malocher, ein Kämpfer. Beim 1. FC Köln ist er der Chef des Ganzen („natürlich gibt es einen, der gewisse Dinge anstößt“), trägt die Verantwortung, ohne seine Mitstreiter aus ihrer zu entlassen.

Vielleicht muss man etwas zurückgehen, um sein mitunter skurriles Wesen als Trainer, seinen Hang, niemals aufzugeben, besser nachvollziehen zu können: Talent brachte er als Torwart mit, womöglich, da sein Vater selbst Handball-Torwart war. Doch er legte eine Karriere als kampfstarker Stürmer hin, in der er immer kämpfen musste, um später in der Bundesliga Fuß zu fassen. „Ich hatte im Leben ja nicht nur positive Erlebnisse“, sagte er einmal der „Süddeutschen Zeitung“. „Ich war arbeitslos, ich wurde als Fußballer irgendwann nicht mehr gewollt, bei meinem Heimatverein Hansa Rostock bin ich drei Mal rausgeflogen. Die entscheidende Frage ist: Wie geht man mit solchen Erlebnissen um? Gehst du daran kaputt oder nimmst du es als Herausforderung an?“

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Foto: Bernd Thissen

Steffen Baumgart macht seinen Trainer-A-Schein an der Sportschule Hennef

Er nahm die Herausforderung an. Jede bisher. Auch jene zu Beginn seiner zweiten Karriere, als er sich Geld leihen musste, um seinen Trainer-A-Schein an der Sportschule Hennef angehen zu können. Keine leichte Zeit. Beinahe hätten er und seine Frau Katja, mit der er drei Kinder hat, ihr Haus in Berlin-
Köpenick verloren. Er hat seine Lehren daraus gezogen, dass man aus „so einer schwierigen Lage nur rauskommt, wenn man klar im Umgang mit anderen ist – und auch ehrlich zu sich selbst“, wie er einmal bekannte. Auch seine erste Bewerbung zum Fußballlehrer-Lehrgang schmetterte der DFB ab. Das Überwinden von Widerständen ist Teil seines Berufslebens, in dem er, geboren in der DDR, auch auf zwei abgeschlossene Ausbildungen verweisen kann: als Bereitschaftspolizist, eher zufällig, und als KFZ-Mechaniker, um einen Abschluss auf westlichem Standard zu haben. Sein Talent lag aber im Fußball, auch darin, seine Durchsetzungsfähigkeit und den absoluten Glauben an sich selbst nun auf seine Mannschaft übertragen zu könne.

Ecken und Kanten gehören zu seinem Profil. Doch der Familienmensch kann auch anders. Nun ist erst einmal die Zeit für Erholung gekommen. Seinen Urlaub verbringt Steffen Baumgart gerade an verschiedenen Orten: Schottland, Portugal, aber auch die heimische Ostsee stehen auf der Reiseroute. Städte entdecken, etwas erleben. An einen dieser Glitzerstrände der Welt wie in Dubai zieht ihn nichts. Ein Buch lesen, brutzelnd in der knackigen Sonne? Das würde auch nicht passen zu einem Typen wie ihn. Immer unter Strom.

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