Bundesliga Wie sich der 1. FC Köln für den Start in die neue Spielzeit aufgestellt hat

Köln · Der neue Trainer Steffen Baumgart sorgt mit seiner begeisternden Art für Euphorie auf und neben dem Platz. Aber der Kader gibt weiter Anlass zur Sorge.

 Kölns neuer Trainer Steffen Baumgart geht die Aufgabe beim 1. FC Köln mit viel Energie und Selbstbewusstsein an.

Kölns neuer Trainer Steffen Baumgart geht die Aufgabe beim 1. FC Köln mit viel Energie und Selbstbewusstsein an.

Foto: Ramershoven

Spürbar anders geht es dieser Tage rund ums Geißbockheim zu – im wahrsten Sinne des Wortes. Seit wenigen Wochen ist Steffen Baumgart Trainer des 1. FC Köln und es weht bereits ein anderer Wind. Selten hat der Slogan des FC so gut gepasst, wie zu Beginn der neuen Saison. Man spürt die Veränderung, die der Trainer mit sich bringt oder schon gebracht hat. Die Spieler sprechen von mehr Intensität, aber auch mehr Qualität im Training, in der Vorbereitung. Baumgart coache mehr, man verstehe, was er will, wohin er will. Dafür sind die „Jungs“, wie Baumgart sagt, bereit, auch ein paar Schritte mehr zu gehen. Und das müssen sie.

Baumgart will anderen Fußball spielen, er will begeistern. Hohes Anlaufen, Offensivfußball, einfach – lieber den riskanten Ball in die Tiefe, den hinter die Abwehrreihen. Nicht den sicheren, ermüdenden Querpass. Um seinen Spielern diese Praxis einzubläuen, unterbricht er die Einheiten. Er macht Verbesserungsvorschläge, nimmt das Training wieder auf. Der Coach ist nicht der Trainertyp Taktiktafel. Man könnte ihn auf jeden Platz in der Republik stellen, ihn jedes Team trainieren lassen – seine Art, sein System, sein Fußball wäre immer erkennbar.

Ein Fußballlehrer mit Passion

Er ist ein Fußballlehrer, der den Spaß an seiner Passion vermitteln will. Zerstören oder Punkte ermauern – das Kölner Mittel der vergangenen Spielzeit –, wird es unter Baumgart in Köln nicht geben. „Es kann ja nicht sein, dass ich in einer Stadt wie Köln, in einem solchen Stadion Trainer sein darf, um mich hinten reinzustellen und zu hoffen, dass ich irgendwie ein Spiel gewinne“, sagte Baumgart dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „So ein Fußball-Event kostet eine Familie mittlerweile richtig viel Geld. Dann soll es aber auch Spaß machen.“ In Paderborn lebte Baumgart seinen Fußball vor, begeisterte. Der Trainer kassierte mit dem SC auch Niederlagen, stieg auf und ab. Doch man ließ ihn in Ruhe arbeiten.

Mit seiner Spielweise, seinem Auftreten, seiner Persönlichkeit hat der Trainer in Köln bereits nach wenigen Wochen für Aufsehen gesorgt. Seine Handschrift war in den bisherigen Testspielen deutlich erkennbar. Hohes Anlaufen, viele Meter, den Gegner zu Fehlern zwingen. Der Erfolg, aber vor allem der attraktive Fußball geben Baumgart bislang recht. Auch wenn der knappe Erfolg über Carl Zeiss Jena in der ersten Runde des DFB-Pokals die Euphorie ein wenig bremste. Die Kölner Fans feiern ihren neuen Trainer bereits, obwohl der sportliche Wert der Erfolge gegen Regional- und Drittligisten sowie eine schwache Bayern-B-Elf überschaubar ist. „Die Stimmung ist extrem positiv. Man nimmt ihm einfach ab, was er vermittelt“, sagt FC-Finanzchef Wehrle über seinen Trainer. „Er ist anfassbar, bodenständig und voller Energie. Er kommt bei den Fans so gut an, weil er ist, wie er ist. Eben authentisch.“

Authentizität, die begeistert

Diese Authentizität begeistert die Fans. Die Stimmung ist „spürbar anders“. Baumgart nimmt sich die Zeit für die Anhänger. In Donaueschingen spricht ihn ein Kölner Fan an. „Steffen, wir sind doch der gleiche Schlag Mensch“, sagt ein kräftiger Mann mit Dauerwelle, silbernem Kreuz im Ohr, die Arme tätowiert, auf Kölsch. Baumgart stockt einen Moment, schaut sich den Mann an und entgegnet dann trocken: „Aber nur, weil wir die gleiche Figur haben.“ Die Sympathien hat er damit auf seiner Seite.

Zur Wahrheit gehört in Köln aber auch, dass die Stadt launisch ist. Die Stimmung kann genauso schnell kippen. Zumal Baumgarts offensive Spielweise auch Risiken birgt. „Es wäre schön, wenn wir häufig den Tor-Jingle in Köln hören würden“, sagte der Trainer bei Amtsantritt. „Auch, wenn das bedeuten sollte, hinten hin und wieder einen Treffer mehr zu kassieren.“ In der Tat zeigte der Defensivverbund der Kölner gerade im Testspiel gegen die Bayern große Schwächen.

Mit Paderborn kassierte Baumgart in der Bundesliga-Saison 2019/2020 74 Gegentreffer. Der FC kam in der vergangenen (regulären) Spielzeit auf 60. Gerade gegen die Top-Teams droht der FC mit seiner neuen Spielweise relativ einfach ausgespielt zu werden.

Auch Gegentreffer riskieren

„Wie soll ich meinen Spielern, die von mir jeden Tag nach vorne gepeitscht werden, plötzlich sagen, sie sollen sich hinten reinstellen?“, sagte Baumgart dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Vor dem zweiten Spieltag wird man von mir hören, dass ich gegen die Bayern gewinnen will. Da kann man auch mal fünf Tore kriegen.“ Die könne man aber auch kriegen, wenn man hinten drin steht, schiebt Baumgart hinterher.

 Der Spielplan 2021/2022 des 1. FC Köln.

Der Spielplan 2021/2022 des 1. FC Köln.

Foto: Grafik

Mit genau diesen Aussagen begeistert der Trainer, steckt an, „is on fire“, wie es in den Sozialen-Medien bereits heißt. Wie die Stimmung dann wirklich nach einer hohen Pleite ist, ist eine andere Frage. Zumal mit Sebastiaan Bornauw viel Defensiv-Qualität den Verein verlassen hat. Der Abwehrchef brachte dem FC zwar nötige Gelder ein, kann aber nicht adäquat ersetzt werden. Neuzugang Timo Hübers konnte sich im Trainingslager nicht in den Vordergrund spielen. Jorge Meré und Rafael Czichos dürften aktuell gesetzt sein. Mit Ismail Jakobs hat zudem ein schneller Außenspieler den Verein verlassen. Jakobs Position wird intern neu vergeben. Der Abgang von Dominick Drexler wird dagegen wohl nicht schwer ins Gewicht fallen.

Uth belebt die Offensive

Bei den Neuzugängen stach in der Vorbereitung vor allem Mark Uth hervor. Der 29-Jährige war in allen Testspielen ein Leistungsträger. Uth belebt ganz offensichtlich die Kölner Offensive. Mit Dejan Ljubicic hat der FC einen weiteren zentralen Mittelfeldspieler verpflichtet. Ljubicic ist sehr gut veranlagt und passt dank seines schnellen Umschaltspiels in das Baumgartsche System. Allerdings wird es der Österreicher schwer haben, sich gegen Salih Özcan, Jonas Hector und aktuell auch Ellyes Skhiri durchzusetzen. Noch schwerer dürfte es für Marvin Schwäbe werden. Der frisch gebackene dänische Meister wird zunächst die Nummer zwei hinter Timo Horn sein, sich mittelfristig mit der Rolle aber nicht zufrieden geben. Zumal er im Pokal zum Elfmeterkiller avancierte.

„Wir fühlen uns echt gut mit ihm“

Baumgart gilt als Trainer, der Spieler verbessern kann. Das will er auch im Kölner Kader erreichen. Zudem setzt der Coach einen Fokus auf den eigenen Nachwuchs. Sechs Youngster nahm Baumgart mit ins Trainingslager, zwei weitere fielen verletzungsbedingt aus, werden aber weiter beobachtet. Der Trainer weiß aber auch, dass es sich bei den Nachwuchshoffnungen erst einmal nur um Ergänzungsspieler handeln kann.

Ob die Rückkehr von Mark Uth aber die Abgänge der Leistungsträger Bornauw und Jakobs kompensieren kann, wird sich mit der Umstellung auf das neue System zeigen. „Es wird auch schwere Phasen geben, die gibt es bei jedem Verein. Da hilft die positive Grundstimmung“, so Alexander Wehrle. Für die sorgt Baumgart. „Wir fühlen uns echt gut mit ihm“, sagte zuletzt der krisengebeutelte Angreifer Anthony Modeste. Innerhalb weniger Wochen ist beim FC aus der Kater- einer Aufbruchstimmung geworden. In dieser Verfassung ist der FC „spürbar anders“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort